Symbolbild:ICT

Der Schweizer Bankensektor ist vergangenes Jah im internationalen Vergleich weiter zurückgefallen und riskiert, punkto Digitalisierung den Anschluss an die internationale Konkurrenz zu verlieren. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Deloitte Studie "Digital Banking Maturity 2022". Im Rahmen dieser Studie wurden mehr als 300 Banken in 41 Ländern untersucht. Die zehn Vertreterinnen aus der Schweiz schafften es im Ländervergleich nur auf Platz 21. Dabei schneiden sie noch schlechter ab als vor zwei Jahren, als sie auf dem 18. Platz landeten. Im internationalen Vergleich agieren Schweizer Banken gemäss der Studie des Prüfungs- und Beratungshauses zu langsam, zu wenig innovativ und zu distanziert von ihrer Kundschaft.

So erstaune somit auch nicht, dass nur eine einzige Schweizer Bank zu den Digital Champions gehört, also zu den 30 besten der rund 304 untersuchten Banken weltweit, heisst es.

Für die Studie haben so genannte "Mystery-Shopper" bei allen untersuchten Banken reale Konten eröffnet und dabei mehr als 1’200 Funktionalitäten innerhalb der digitalen Kanäle dieser Finanzinstitute geprüft – auf der Website, im E-Banking und in der App auf dem Smartphone.

"Der erneute Rückgang ist eine bedenkliche Entwicklung für den Schweizer Bankensektor", sagt Cyrill Kiefer, Banking Consulting Leader bei Deloitte. "In anderen untersuchten Ländern ist es längst Standard, dass online – vor allem über Mobiltelefone und andere Endgeräte – eine umfassende Palette an digitalen Leistungen angeboten wird." Das geht über die einfache und rasche Eröffnung eines Kontos und sofort einsehbare Überweisungen über die Verwaltung von Kreditkarten und den Wertschriftenhandel bis hin zu Dienstleistungen im Anlagenuniversum. "Wer die digitalen Erwartungen der Kundschaft nicht zu erfüllen vermag, riskiert mittelfristig, Kunden zu verlieren. Die Banken sollten diese wichtigen Kanäle vielmehr nutzen, um bestehende Kundinnen und Kunden zu halten und eine neue, digitalaffine Kundschaft anzusprechen."

Wie die Studie belegt, hinken die untersuchten Schweizer Banken im Zuge der rasanten Digitalisierung ihrer Konkurrenz aus unterschiedlichen Gründen hinterher. Die betreffenden Banken hätten ihre durchschnittliche digitale Maturität zwar verbessert – im Vergleich zu den Digital Champions allerdings deutlich langsamer. Ausserdem böten Digital Champions über all ihre digitalen Kanäle hinweg mehr Dienstleistungen an, wie zum Beispiel Autokredite oder Hypotheken, und führten diese auch schneller ein. Auch könnten bei vielen Schweizer Banken Konten – selbstverständlich unter Einhaltung aller gültigen Gesetze – nicht rasch und unkompliziert eröffnet und sofort genutzt werden. Es fehle in den allermeisten Fällen ein vollständig digitalisierter End-to-End-Prozess. Die Kundschaft erwarte jedoch jederzeit Einsicht in den Kontostand und in getätigte/empfangene Transaktionen sowie Informationen in Echtzeit, heisst es. Zudem fehle es den Onlinekanälen von Schweizer Banken – im Vergleich zu jenen von Digital Champions – noch an verschiedenen Funktionalitäten.

Schwächen im digitalen Vertrieb

Digitale Kanäle eignen sich dafür, bestehenden Kunden Produkte wie etwa Debit- oder Kreditkarten zu verkaufen. Die Kundschaft könne jedoch nur bei 41 Prozent der Schweizer Banken eine Kreditkarte digital bestellen – bei den Digital Champions ist der Anteil demnach fast doppelt so hoch. Und lediglich 18 Prozent der Schweizer Banken schafften es, einen Kreditantrag vollständig digital abzuwickeln, während es bei den Digital Champions 68 Prozent seien.

Die von Digital Champions implementierten Funktionen gehen laut der Studie weit über das traditionelle Bankgeschäft hinaus. So könnten bei ihnen etwa Hotels und Flüge gebucht oder der Zutritt zu einer Flughafen-Lounge gekauft werden. Auch Kino-, Theater- und Konzerttickets oder etwa Parktickets könnten erworben werden. Es bestehe sogar die Möglichkeit, eine Firma digital zu registrieren. Schweizer Banken hingegen würden diese Entwicklungen fast vollständig verpassen – im Gegensatz zu anderen Anbietern wie etwa Versicherungen, die bereits zahlreiche, über das traditionelle Geschäft hinausgehende Dienstleistungen implementiert hätten.

Die inländische Kundschaft müsse immer noch unterschiedliche mobile Apps für Bankgeschäfte und Anlagen nutzen oder gar auf den Desktop zurückgreifen, so die Untersuchung. "Hier braucht es eine einheitliche Strategie mit Fokus auf mobile Endgeräte, damit die Institute die steigenden Ansprüche gegenüber dem Digital Banking und die damit verbundenen Anlagegewohnheiten erfüllen können," betont Kiefer.

Ausserdem müssten die hiesigen Banken ihre Produktpalette zwingend über die traditionellen Dienstleistungen hinaus erweitern. Bei diesem Punkt sollten sich Schweizer Institute laut Kiefer ein Beispiel an den Digital Champions nehmen. "Sie erfüllen schon heute unterschiedlichste Finanzbedürfnisse mit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen. Da haben Schweizer Banken viel aufzuholen. Tun sie dies nicht schnell genug, werden internationale Anbieter dank ihres grossen Vorsprungs in den heimischen Markt vordringen und etablierte inländische Banken ins Hintertreffen geraten."

Über die Studie "Digital Banking Maturity 2022":
Für die fünfte Ausgabe der Studie, die Einblicke in Strategien und Best Practices der digitalen Marktführer gibt, wurden 304 Banken – zehn davon in der Schweiz – in insgesamt 41 Ländern mithilfe von sogenannten "Mystery-Shoppern" analysiert, die als Testkunden bei allen untersuchten Banken reale Konten eröffneten. Dabei wurden mehr als 1’200 Funktionalitäten innerhalb der digitalen Kanäle (Website, E-Banking und mobiler App) dieser Finanzinstitute untersucht. Die Studie wurde zwischen Juli und August 2022 durchgeführt (Ausnahme UBS: November 2022).