Symbolbild: Pixabay/ Geralt

Der Fachkräftemangel erreicht in der Schweiz einen historischen Rekordwert. Die Rekrutierung von neuem Personal wird zur grossen Herausforderung. Unbesetzte Vakanzen bremsen die Wirtschaftsleistung sowie die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Das hat Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft. Innovative Strategien seitens der Unternehmen sind gefragt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. "Die Humanressourcen werden zum alles entscheidenden Faktor in den Unternehmen", betont dazu Prof. Lisa Marie Giermindl, Kursleiterin CAS Innovatives HR-Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Die richtigen Personen mit den passenden Qualifikationen zum richtigen Zeitpunkt anzustellen, wird zur grossen Schwierigkeit für die Unternehmen. "Aus diesem Grund muss sich die Rolle des HRs fundamental ändern", so Giermindl weiters. "Die Transformation von einem traditionell reaktiven, Admin-fokussiertem HR zu einem innovativen, aktiven HR ist angesichts der Herausforderungen unserer Zeit dringend notwendig." Das herkömmliche HR-Management habe auf geschäftskritische Entscheidungen nur wenig Einfluss. Traditionell werde eine Unternehmensstrategie entwickelt und daraus die HR-Strategie abgeleitet, ohne die HR-Perspektive vorgängig einzubeziehen. Dahingegen sei ein innovatives HR-Management den heutigen und zukünftigen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt gewachsen und begegne diesen offensiv. Es gehe aktiv auf die Geschäftsleitung zu, analysiere Trends und Entwicklungen im Unternehmen, initiiere vorausschauend Veränderungen und forciere die digitale Transformation.

Dadurch werde HR zum strategischen Partner der Geschäftsleitung. "Die Wirksamkeit des innovativen HR-Managements im Vorbeugen eines Fachkräftemangels liegt auf der Hand, trotzdem ist es noch wenig verbreitet", konstatiert die HR-Expertin. "Es existieren keine genauen Zahlen, doch geschätzt haben erst rund 10 Prozent der Unternehmen ein solches innovatives HR-Management."

Der Fachkräftemangel ist in der Schweiz jedoch längst Realität und eine grundlegende Transformation des HRs beanspruche viel Zeit. Laut Lisa Marie Giermindl lohne es sich trotzdem, jetzt ein innovatives HR-Management einzuführen: "Die Unternehmen, die diese Veränderung nun angehen, sind ihrer Konkurrenz in einem Jahr klar im Vorteil, da sich ihre Wettbewerbssituation deutlich verbessern wird." Konkret könnten diese Unternehmen beispielsweise "HR-Analytics" nutzen oder ein "Strategic Workforce Planning", eine Strategische Personalplanung, einführen. Eine solche Personalplanung beinhalte das Wissen, wie sich die Berufe und die Personalsituation im Unternehmen sowie der Arbeitsmarkt zukünftig verändern. "Der Markt erlaubt es heutzutage nicht, fertig ausgebildete Mitarbeitende einzukaufen. Wenn ich aber weiss, welches Personal mit welchen Qualifikationen ich in drei, fünf oder gar zehn Jahren benötige, kann ich meine bestehenden Mitarbeitenden strategisch aus- und weiterbilden", hält die Professorin für Leadership und HR dazu fest. "Unternehmen müssen auch gesellschaftliche Entwicklungen und neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz in die Personalplanung einfliessen lassen und sich überlegen, was solche Veränderungen zukünftig für ihr Personal bedeuten."

Der Begriff "HR Analytics" oder "People Analytics" beziehe sich nicht auf eine Technologie, sondern auf einen neuartigen, evidenzbasierten und datengestützten Ansatz für das Management der Belegschaft und die Optimierung strategischer Entscheidungsprozesse, so Giermindl. Bei Entscheidungen spiele die menschliche Intuition zwar weiterhin eine bedeutende Rolle, doch anhand der Daten könnten wichtige Entwicklungen im Unternehmen erkannt werden. "Das datengetriebene HR kann der Game-Changer im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein", illustriert die HR-Expertin an einem Beispiel: "In einem Unternehmen haben wir mit HR-Analytics herausgefunden, dass die Krankheitsstunden sehr genau die Kündigungen vorausgesagt haben. Hohe Fluktuationen können durch solche frühen Indikatoren vermieden werden, wenn das Management diese rechtzeitig erkennt und daraufhin den Dialog mit den entsprechenden Mitarbeitenden sucht."

Das HR sei im Vergleich zu Finance oder Marketing jedoch zögerlich, Daten und Zahlen zu verwenden. Die Gründe dafür sind gemäss Giermindl vielfältig: fehlende Kompetenzen im HR, keine Zahlenaffinität oder Angst vor Datenschutzverletzungen.

Der Hochschullehrgang "CAS Innovatives HR-Management" an der OST – Ostschweizer Fachhochschule könne HR-Personal und Führungskräfte in diesen Bereichen weiterbilden, verspricht Giermindl: "Viele Unternehmen möchten zwar ein innovatives HR-Management einführen, doch die HR-Mitarbeitenden verfügen noch nicht über das nötige Know-how. Im CAS Innovatives HR-Management lernen diese die Instrumente und digitalen Technologien kennen, um den Wandel zum innovativen HR erfolgreich umzusetzen."

Prof. Lisa Marie Giermindl, Kursleiterin CAS Innovatives HR-Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule
Prof. Lisa Marie Giermindl, Kursleiterin CAS Innovatives HR-Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule