NXAi-Führungstrio Felix Neusser, Sepp Hochreiter und Albert Ortig von Nxai (© NXAI)

Der deutsche Pionier in Sachen Künstliche Intelligenz (KI), Sepp Hochreiter, will mit dem Startup NXAI die Vorherrschaft des Marktführers im Bereich der Sprachmodellierung, OpenAI, brechen. Mit seinem KI-Modell, das "besser und schneller" als ChatGPT sei, könne er die von Microsoft unterstützte US-Firma OpenAI "vom Markt hauen", konstatierte Hochreiter bei der Vorstellung seiner Pläne.

Hochreiter wurde in den 1990er-Jahren mit seinen Forschungsarbeiten zu künstlicher Intelligenz zu einem der wichtigsten Wegbereiter für moderne Spracherkennung und Textanalyse, die bis heute in jedem Smartphone zum Einsatz kommt. Unter anderem hat er damals den Algorithmus "Long Short-Term Memory" (LSTM) erfunden, der viele KI-Anwendungen radikal verbesserte, darunter die Übersetzung von Sprachen, die Vorhersage von Krankheiten auf Basis medizinischer Daten oder die Spracherkennung auf Smartphones. Eine Neuauflage von LSTM hat nach seiner Darstellung gute Chancen, sich nicht nur gegen die von Google und OpenAI verwendeten KI-Modelle zu behaupten, sondern diese zu übertreffen.

Der deutsche KI-Pionier will NXAI, das er zusammen mit dem Unternehmer Albert Ortig von der Digitalisierungsagentur Netural und in Kooperation mit der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz gründete, nun durchstarten. Hochreiter leitet an der Linzer Uni das Institut für Machine Learning. Über 400 Studierende habe das 2019 eingeführte Studium "Artificial Intelligence" bereits für sich begeistern können, heisst es.

Mit der Finanzierung von NXAI werde nun gewährleistet, dass ein neuer Ansatz für ein europäisches KI-Sprachmodell entwickelt werden könne, das global wettbewerbsfähig sei, so Hochreiter. Finanziell beteiligt an NXAi ist auch die Pierer Digital Holding aus der österreichischen Industriegruppe Pierer. Zu den geschäftlichen Details machten die Beteiligten keine Angaben. Der finanzielle Rahmen soll aber ausreichen, damit Hochreiters Algorithmus weiter erforscht und zu einer Anwendung im grossen Massstab geführt werden könne. "Die notwendigen Rechenkapazitäten sind durch NXAI sichergestellt, sodass das Large Language Model mit grossen Datenmengen trainiert und skaliert werden kann," so Hochreiter, der in Interviews erläuterte, dass er 54 Millionen Euro im Jahr benötige, um OpenAI herauszufordern - vier Millionen für das Personal und 50 Millionen für Rechenkapazitäten.

Bernhard Schölkopf, Direktor am Max-Planck-Institut für lernende Systeme in Tübingen, hatte zur Verleihung des KI-Innovationspreises die internationale Bedeutung der von Hochreiter erfundenen KI-Methode hervorgehoben. LSTM sei "wirklich fundamental und einer der bekanntesten Algorithmen überhaupt". Mit der Neuauflage, die Hochreiter xLSTM nennt, verstehe das System nach Angaben von NXAI die Bedeutung von Texten besser als die bisherigen Sprachmodelle und könne dadurch auch komplizierte Texte verstehen und erstellen.

Im Vergleich zu den Modellen, die Google und OpenAI verwenden, soll die benötigte Rechenleistung in Hochreiters Modell deutlich geringer sein. Mit ihrer gesteigerten Effizienz und Leistung in der Verarbeitung von Texten werde die xLSTM-Technologie einen neuen Standard in der KI-Sprachverarbeitung setzen, so das Startup. Dass das Linzer Modell mit weniger Rechenaufwand bessere Ergebnisse erzielen könne, liege an der zugrundeliegenden Speichertechnologie, die Sprache ähnlich dem menschlichen verbalen Gedächtnis verarbeite, erläutert Hochreiter. Anstatt jedes einzelne Wort immer wieder in endlosen Ketten abgleichen zu müssen, merke sich xLSTM die Semantik, also die abstrahierte Bedeutung von Text, und könne komplexe und lange Textanfragen deutlich schneller bewerkstelligen.

Vor der Gründung von NXAI war es bereits anderen Startups aus Europa gelungen, die KI-Vormachtstellung der Techriesen aus den USA zumindest in Teilen anzuknabbern. So produziert der KI-Übersetzer des Kölner Startups DeepL bessere Übersetzungen als Google Translator. Dafür unterstützt der Google-Übersetzer mehr Sprachen. Bewähre sich die in Linz entwickelte Technologie, spreche den Nxai-Gründern zufolge künftig nichts dagegen, eine europäische ChatGPT-Alternative anzubieten. Auch ein Export der Technologie und die Verwendung bei einem der beim Thema KI aktuell tonangebenden Konzernen sei durchaus vorstellbar, heisst es.