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Die letzte Entscheidung in der Bundesligasaison 2016/2017 ist mit dem Relegations-Rückspiel am Montag gefallen, das letzte Mal jubelten Fans - über den Klassenerhalt von Wolfsburg. Meister Bayern München und seit dem vergangenen Wochenende auch Pokalsieger Borussia Dortmund stehen fest. Die beiden sportlich erfolgreichen Vereine beherrschen auch mittels Facebook, Youtube, E-Paper, Webradio & Co die Liga.

"Bei der digitalen Ansprache nationaler und internationaler Fans liegt der Rekordmeister aus München in der Liga deutlich vorn, mindestens so weit wie bei der Überlegenheit auf dem Fußballplatz", erläutert Prof. Julian Kawohl von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, der zusammen mit Marcus Kalkbrenner die digitalen Kanäle, Inhalte und Geschäftsmodelle der 18 Bundesligavereine umfassend analysierte. Vor allem in Bezug auf die Breite bei digital verfügbaren Inhalten sowie einer umfassenden internationalen Ausrichtung bei digitalen Angeboten hat sich der Abonnementmeister aus dem Süden einen Vorsprung vor der Konkurrenz erarbeitet.

"Die kontinuierlich vorangetriebene Internationalisierung der vergangenen Jahre zahlt sich aus", resümiert Prof. Kawohl: "Bayern München war durch Spiele und Trainingslager in den wichtigen internationalen Märkten präsent, Repräsentanzen wurden eröffnet und beispielsweise der chinesische Markt auch digital konzentriert erschlossen. Weit über 100 Millionen Follower und eine breite Präsenz in den wichtigsten sozialen Netzwerken Chinas verdeutlichen das dort vorhandene Potenzial."

Dreiteilung der Liga mit wenigen digitalen Spitzenteams

Mit Schalke 04 folgt in dem erstellten Ranking ein weiterer Traditionsverein aus dem Ruhrpott, der sich besonders durch seine E-Sport-Aktivitäten und sein digitales Bonusprogramm vom Rest der Liga hervorhebt. Insgesamt konstatiert die Studie eine Dreiteilung der Liga: in einige wenige Vorreiter, eine Handvoll Nachfolger und viele Beobachter. "Letztere setzten neue Themen auf dem digitalen Spielfeld nur vereinzelt aktiv um und vergeben dabei potenzielle Ertragsmöglichkeiten." Solche Vereine beobachten erstmal ihre Konkurrenten, wie diese die Entwicklung der Digitalisierung handhaben, um gegebenenfalls nachzuziehen. Kawohl: "In der digitalen Welt ist das aber viel zu spät. Auf eine ganzheitliche Fan-Ansprache mit umfassenden Digital-Angeboten über alle Kanäle wartet man da zudem meist vergeblich", so Kawohl.

Noch mit zur Spitzengruppe der Vorreiter in der digitalen Welt zählt der VfL Wolfsburg und belegt dort einen Platz, der zur Qualifikation zur Champions League berechtigt, digitale Pluspunkte gab es etwa bei der Aufbereitung der digitalen Inhalte. In der Bundesliga sah das jedoch ganz anders aus. Erst am Montagabend konnte die Mannschaft im Relegationsspiel in Braunschweig die Klasse halten. "Im Netz hingegen gehörte der VfL Wolfsburg zu den führenden Vereinen. Hervorzuheben ist beispielsweise die digitale Präsentation des Themas Corporate Social Responsibility, zum Beispiel über einen umfangreichen Nachhaltigkeitsbericht des Vereins oder diverse Aktivitäten zum Thema Integration (z.B. über das Angebot der VfL-Vielfaltswochen). Dieses Beispiel zeigt auf, dass die führenden Clubs bewusst in das Thema Digitalisierung investieren, um ihre Marke über den Sportkontext zu erweitern und positiv aufzuladen", kommentiert Kawohl.

In der direkten digitalen Verfolgergruppe befinden sich Borussia Mönchengladbach, 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt und Hertha BSC. Diese bespielen nicht ganz so viele digitale Kanäle wie die digitalen Spitzenteams und sind auch bei den angebotenen Inhalten und den mit Partnern umgesetzten digitalen Angeboten etwas zurückhaltender.

Himmelstürmer auf dem Platz, Probleme mit der Digitalisierung

Eine grosse Diskrepanz zwischen sportlicher und digitaler Platzierung - allerdings in umgedrehter Richtung - gibt es auch bei einem den beiden diesjährigen Überraschungsteams in der Liga, dem Vizemeister RB Leipzig und Tabellenvierten Hoffenheim. "Während die Mannschaften auf dem Platz mit schnellen Kombinationen und vielen Toren überzeugten, war da im Netz vielfach digitale Defensive angesagt", so Kawohl. Die Leipziger haben zum Beispiel als einziger Verein keinen Kids Club und bis Februar 2017 noch nicht mal eine moderne Smartphone-kompatible App, über welche die Fans zentrale Infos abrufen können. So spartanisch ist die digitale Ansprache in dieser Frage ansonsten zum Stichtag nur noch beim SC Freiburg. Letzterer findet sich mit dem FC Augsburg und Darmstadt 98 am Ende des Digital-Rankings.

Auch auf internationalen Social Media-Plattformen sind Hoffenheim, Leipzig und mehrere andere Clubs bisher nicht aktiv, wie die Hälfte der Bundesligisten. "Gerade vor dem Hintergrund der immer weiter voranschreitenden internationalen Expansion der Liga herrscht hier auf jeden Fall noch Nachholbedarf", so Prof. Kawohl. Die Märkte der Zukunft sind China, USA, mit Abstand auch Indien, Südkorea, Japan und (getrieben durch die WM 2018) Russland. "Dort muss man präsent sein. Etwa in China auf den Plattformen Tencent oder Sina Weibo, als auch in Russland bei VKontakte."

Nicht nur die Grossen der Liga sehen diese Chancen. Ein Beispiel für Mannschaften, die sich ansonsten auf Mittelfeldplätzen tummeln und dennoch starkes Auslandsengagement zeigen, ist Werder Bremen. Der Nordverein ist unter anderem auf den genannten drei internationalen Top-Plattformen dabei. Mit dem Hamburger SV steht ein weiterer Nordverein im digitalen Budesliga-Mittelfeld, in dem sich auch die in dieser Saison unter ihren sportlichen Erwartungen gebliebenen Teams von Bayer 04 Leverkusen und Mainz 05 befinden. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass der HSV sein Vereinsmagazin als einziger Bundesligaclub kostenlos per gesonderten App als E-Paper zur Verfügung stellt.

Nachholbedarf bei WLAN im Stadion und Virtual Reality-Angeboten

Nachholbedarf gibt es für die Liga im technologischen Bereich. Lediglich sieben Vereine stellen bei Heimspielen einen WLAN Hotspot in den Stadien zur Verfügung. Die Kommunikation über einen Instant Messenger wie Line (national) oder Wechat (international) ist bisher nur bei zwei Vereinen möglich, Virtual Reality wird nur von drei Vereinen angeboten. "Die Bundesligavereine sind im Vergleich etwa zu den Vereinen der amerikanischen Profiligen noch deutlich im Hintertreffen, sowohl beim digitalen Fortschritt im Stadion als auch bei der Kommunikation mit digitalen Medien", stellt Prof. Kawohl fest: "Dabei bietet die Digitalisierung durchaus lukrative Potenziale und die neuen Technologien wie intelligente Computersysteme oder Virtual Reality führen somit zu einer grundlegenden Revolution des Sporterlebnisses für den Fan und Konsumenten".

Virtual Reality bietet neben dem Branchenprimus Bayern München und dem VfL Wolfsburg auch der Absteiger FC Ingolstadt. "Die anderen Vereine ziehen langsam nach. Nachdem wir unseren Analyse-Stichtag hatten, wurde bspw. vom 1. FC Köln ein erstes Virtual Reality Projekt initiiert, bei dem ausgewählte Fans die Möglichkeit bekommen, per 360-Grad-Sicht die Profis in der Kabine, auf dem Trainingsplatz und bei diversen Übungen zu begleiten."

Bei Betrachtung der heute bereits in der Breite digital angebotenen Inhalte sind Spielberichte, Tabellen und die Übertragung von Pressekonferenzen bei allen Vereinen Standard. Die angebotenen Dienstleistungen variieren je nach Verein deutlich. Insgesamt dominiert Banking (2/3 der Vereine haben hier ein eigenes Angebot) gefolgt von Reisen (50 Prozent der Vereine), Mobilfunk (1/3 der Vereine) und Versicherungen (lediglich 2 Vereine, Bayern München und Schalke 04). "Über diese klassischen Angebote ergeben sich zukünftig weitere potenzialträchtige Content-Kategorien etwa in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Fitness" konstatiert Prof. Kawohl. "Hier zeigen die Influencer und Social Media Stars, wie sich Inhalte mit Partnern aus der Wirtschaft auch kommerzialisieren lassen." Während die Vereine diverse Kooperationen mit Sponsoren fahren, bildet eine Zusammenarbeit für ein gemeinsames digitales Geschäftsmodell bisher die Ausnahme.

Geänderte Strukturen als Voraussetzung für digitale Erfolge

Die Studienautoren empfehlen u.a. Instant-Messaging wie Whatsapp als Interaktionsform mit Fans auszubauen und über neue Technologien zu automatisieren sowie VR-Technologien zu pilotieren. Neben den technischen Möglichkeiten spielt Organisation der Vereine für die digitale Transformation eine entscheidende Rolle. "Analog etablierter Unternehmen sollte die Kooperation mit Startups ausgebaut werden und eine interne Digitaleinheit bzw. ein Chief Digital Officer etabliert werden, um den Aufbau eines digitalen Ökosystems mit noch mehr Schlagkraft voranzutreiben", resümiert Prof. Kawohl.

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