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Während Medien gemeinhin als das wichtigstes Kontrollorgan für Politik und Wirtschaft gelten, rückt die Frage nach dem Umgang mit Missständen innerhalb der Medienbranche selbst immer weiter in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Mithilfe der neu geschaffenen Möglichkeiten in der Welt des Web 2.0 und seinen partizipativen Elementen schlüpfen zunehmend Bürger in die Rolle der "fünften Gewalt" und klopfen der Presse bei Intransparenz und Versagen auf die Finger.

Soziale Medien dienen dabei als Instrument, um auf Missstände öffentlich und breitenwirksam aufmerksam zu machen. Im Rahmen einer Veranstaltung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit dem Medienhaus Wien sind Experten diesem Phänomen nachgegangen. Unter dem Motto "Journalisten im Twitter-Gewitter: Der Bürger als neue 'fünfte Gewalt'" hat Susanne Fengler, Leiterin des Brost-Instituts für internationalen Journalismus die Ergebnisse des EU-Forschungsprojekts "Media Accountability and Transparency Europe" vorgestellt. Die Studie hat sich der wandelnden Herausforderungen bei der Kontrolle von Medien in 14 verschiedenen Ländern angenommen.

Eine der zentralsten Erkenntnisse ist in diesem Zusammenhang, dass Journalisten mittlerweile zum überwiegenden Teil mit Leserkritik über soziale Medien konfrontiert werden. Kritik von Kollegen kommt hingegen nur selten. Vor allem in Deutschlands Redaktionsstuben mangelt es an Selbstkritik. Fengler benutzt in dieser Debatte den Begriff "Media Accountability" und meint damit einerseits die Medienselbstkontrolle durch Presseräte, Ombudsleute und Redaktionsrichtlinien, andererseits aber auch die zur Verfügung stehenden partizipativen Instrumente wie Blogs, Foren und Social Media.
Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer effektiven Medienkontrolle anhand des Abhörskandals rund um das ehemalige Murdoch-Blatt "News of the World" und der ihrer Meinung nach unausgewogenen Berichterstattung der Medien bei der Affäre Wulff und der Eurokrise. Bei Letzterer sieht sie ein "doppeltes Versagen". "Wir haben ein Kompetenzproblem bei Wirtschaftsjournalisten", so Fengler. Hinzu komme, dass vor Ausbruch der Schuldenkrise in Griechenland keine einzige deutsche Zeitung einen festen Korrespondenten in Athen hatte.

Auch stellt sich laut der Fachfrau die Frage danach, ob Medien eigentlich überhaupt noch die Rolle der "vierten Gewalt" adäquat ausfüllen. In der Zeit des Medienumbruchs mit dem Internet als Artikulations- und Mobilisierungsplattform gewinnt das Publikum immer mehr an Bedeutung. Leser geben Feedback, kritisieren Parteinahme oder prangern Missstände bei journalistischen Methoden an.

Eindrückliche historische Beispiele für grobe Verfehlungen sind etwa die gefälschten Hitler-Tagebücher oder das Geiseldrama von Gladbeck. Durch das World Wide Web fungiert der partizipierende Medienkonsument nun allerdings vielmehr als Korrektiv der "vierten Gewalt".