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Wenn der Lander Philae der Raumsonde Rosetta heute sein Ziel erreicht, wird er die ersten je gemachten Aufnahmen vom Kern eines Kometen vom Boden aus senden. Insgesamt sieben Kameras wurden für den Betrieb unter extremen Bedingungen entwickelt und werden zusammen 360°-Panoramabilder von der Oberfläche des Kometen senden.

Mit diesen werden sich Wissenschaftler, Astrophysik-Begeisterte, naturwissenschaftlich Interessierte und die Medien in den kommenden Tagen weltweit intensiv befassen. Die im Zeitraum 1998 bis 2001 auf der Grundlage eines zwischen 1992 und 1997 für das ESA Technology Research Programme entworfenen Prototypen entwickelten hoch­auflösenden Kameras weisen nicht nur ein Miniaturformat auf, sondern sie sind auch robust genug, um den heftigen Schwingungen beim Start und den extrem niedrigen Temperaturen unterwegs zu widerstehen und einem Kometen zu folgen, der durch das All in Richtung Sonne rast.

Die Kameras sind Bestandteil von CIVA (Comet nucleus Infrared and Visible Analyzer), eines der zehn Instrumente an Bord für die Vor-Ort-Analyse des Kometen durch Philae. Seinerzeit und lange bevor es in jedem Smartphone kleine Digitalkameras gab, waren Kameras von Weltraum-Qualität fast so gross wie der Lander an sich. "Etwas so Kleines zu bauen kam einem ungeheuren, von vielen für unmöglich gehaltenen Meisterstück gleich. Zum Glück war das Fachwissen der Uhrmacher und der Mikrotechnik in der Schweiz der Herausforderung gewachsen", erläutert der CSEM-Forscher Ivar Kjelberg.

Jede der nur 100 Gramm wiegenden Mini-Kameras ist in der Lage, hochauflösende Schwarz-Weiss-Bilder bei sehr geringem Energieverbrauch zu machen und den unglaublich niedrigen Temperaturen von -150 °C zu widerstehen. Sie passen in die hohle Hand eines Menschen – eine weltweite Premiere in der Raumfahrt, die als Inspiration zur Generation der Kameras gelten kann, die wir heute alle in der Tasche haben. Der Lander ist mit sieben identischen Kameras für das sichtbare Spektrum ausgestattet. Fünf davon machen Einzelaufnahmen, ein Paar macht stereoskopische oder 3D-Aufnahmen von der Kometenlandschaft.

Die stapelbare, dreidimensionale Elektronik aus französischer Herstellung hat eine erhebliche Grössenreduzierung ermöglicht, während die optischen und mechanischen Systeme, die Software und das Kommunikationsmodul aus Schweizer Herstellung derart ausgelegt sind, dass sie den ausserordentlich starken Belastungen der Raumfahrt standhalten. Als Generalunternehmer hat das private schweizerische Forschungs- und Entwicklungszentrum CSEM zahlreiche Innovationen für das Projekt entworfen, unter anderem auch im Bereich der Montage der Elemente. Um die optischen und elektronischen Systeme präzise zu positionieren und gleichzeitig bei extremen Temperaturschwankungen Expansion und Kontraktion zuzulassen, wurde ein Titangehäuse mit innenliegenden Federn aus einem Stück erstellt, einem unter der Bezeichnung Flextec bekannten Verfahren in der Struktur.

Der frühere CSEM-Projektmanager für den ESA-Kameraprototypen und die CIVA-Kameras, Jean-Luc Josset, heute Direktor am Space Exploration Institute (Space-X), erläutert: „die Entwicklung dieser Art Technologie öffnet die Möglichkeiten für neue, hochgradig anspruchsvolle Aufgaben und ist ein Beispiel für die Fähigkeiten, die das CSEM bereitstellen kann.“

Hintergrund des Projektes
Rosetta ist eine Mission der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), die im März 2004 mit dem Start des Kometenjägers Rosetta begann; zehn Jahre und mehr als sechs Milliarden Kilometer später steht die Landung nun unmittelbar bevor. Das CIVA-Instrument auf dem Lander Philae ist ein Projekt unter Leitung des Institut d'Astrophysique Spatiale (IAS) mit Entwicklungsfinanzierung durch das Centre National d'Etudes Spatiales (CNES). Tests und Abnahme der CIVA-Kameras erfolgten mit ESA-Finanzierung.