thumb

Neue Impulse für die Robotik könnte eine Erfindung des österreichischen Physikers Christoph Keplinger liefern, der künstliche Muskeln gebaut hat, die ihrem natürlichen Vorbild verblüffend ähnlich sind. Die Hauptbestandteile dieser Robotermuskeln sind Kunststoff, Pflanzenöl und Elektroden.

Wie Keplinger, der an der University of Colorado Boulder (USA) forscht, betont, könnt man mit künstlichen Muskeln zum Beispiel körperähnliche Prothesen bauen und so den Alltag von Menschen verbessern, die Arme oder Beine verloren haben. Vor allem sei die Entwicklung für "Soft Robots“ von Interesse. Damit sind Roboter gemeint, die sich etwa bei Rettungsaktionen nach Erdbeben geschmeidig wie ein Oktopus zu Verschütteten durchzwängen könnten.

Keplinger und sein Team haben die Erfindung in den Fachblättern „Science“ und „Science Robotics“ präsentiert. Die Fachwelt sprach dabei von einem "Durchbruch“ und einem "qualitativen Sprung im Forschungsfeld“. Grund dafür sind einige Attribute, die die künstlichen Muskeln ("Hasel actuators“) für technische Anwendungen interessant machen. Sie besitzen die Fähigkeit zur Selbstheilung und entwickeln mit Hilfe elektrostatischer Ladungen beträchtliche Kraft.

Basis dieser künstlichen Muskeln sind elastische Kunststoffhüllen sowie eine Füllung isolierender Flüssigkeiten. "Wir verwenden auf Pflanzenöl basierte Flüssigkeiten - reines Rapsöl funktioniert zum Beispiel sehr gut“, erläutert Keplinger. Dadurch entstehe ein hydraulisches Element, das mit einem in Salzwasser gequollenen Gel beschichtet wird. Diese Kombination erweist sich als sehr dehnbar und kann ausserdem elektrische Ladungen leiten.

"Setzt man das Ganze unter Spannung, baut sich ein elektrisches Feld auf, das eine Kraft auf die Flüssigkeit ausübt.“ Die weiche Hülle wird dadurch verformt - die Folge: Bewegungen, die stark jenen von echten Muskeln ähneln. Was Kraft, Energieeffizienz und Kontraktionsgeschwindigkeit betrifft, sei seine Erfindung natürlichen Muskeln ebenbürtig oder sogar überlegen, betont der Physiker.

Stark und sanft zugleich

Der wohl grösste Vorteil: Die künstlichen Muskeln können etwa ein rohes Ei oder eine Himbeere vorsichtig aufnehmen, ohne diese zu zerquetschen - und sind dennoch imstande, mehrere Kilogramm zu stemmen. Auch schnelle Bewegungen sind damit möglich, wie die Forscher in einem Video beweisen.

Im Gegensatz zu den bisher getesteten elektrostatischen Muskeln ohne Ölfüllung sei ein elektrischer Kurzschluss für die „Hasel actuators“ nicht fatal, so der Forscher. Die isolierende Flüssigkeit im Inneren verteile sich nach so einem Problemfall neu und heile somit quasi von selbst. „Wir arbeiten daran, dass auch die Aussenfolien nach Schnitten oder Kratzern selbständig heilen“, erklärt Keplinger. „Damit kommen wir dem Vorbild in der Natur immer näher.“

Auch die Herstellungskosten halten sich in Grenzen: Exotische Materialien und Verfahren sind dafür nicht notwendig. Die Aussenhaut der Muskeln besteht aus einer Folie, die der Verpackung von Kartoffelchips gleicht. Sie kostet derzeit zehn Cent.