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Melodien entstehen beim Komponieren zuerst im Kopf. Wissenschaftler aus Graz haben nun eine Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, über welche die musikalischen Gedanken "gelesen" und direkt auf Notenblätter geschrieben werden kann.

Laut dem Forscher Gernot Müller-Putz vom Institut für Neurotechnologie der Technischen Universität Graz entsteht im Kopf jedes Mal, wenn man einen Buchstaben (der für eine Tonhöhe steht), einen Notenwert, ein Pausenzeichen oder anderes Elemente der Notenschrift sieht, eine Gehirnwelle ("ereignisorientierte P300 Gehirnwelle“), die man mittels EEG (Elektroenzephalogramm) ablesen kann. Hat man gerade intensiv an ein bestimmtes Notenzeichen gedacht, wenn es gezeigt wurde, sieht diese Gehirnwelle ein wenig anders aus. Die P300-Gehirnwelle könne daher als "Aufmerksamkeitsmass" verwendet werden und ein Computeralgorithmus nach dem Präsentieren aller möglicher Notationszeichen erkennen, welches davon man gerade im Sinn hat, so Müller-Putz gegenüber der Nachrichtenagentur APA.

Demnach setzte das Grazer Forscherteam siebzehn musikbegeisterten Laien und einem Profimusiker eine Haube mit EEG-Elektroden auf, und liessen sie auf diese Art zunächst ein kanadisches Kinderlied ("Alouette") per Gedankenübertragung von einem Notenblatt "abschreiben“, um zu sehen, wie viele Fehler dabei passierten. Die Gehirn-Computer-Schnittstelle funktionierte sehr akkurat, rund 90 Prozent der Töne stimmten im Schnitt bei den achtzehn Versuchspersonen. Anschliessend durften sie eine halbe Stunde lang bloss mit ihren Gedanken frei komponieren, was wieder ziemlich gut vom Computer aufgezeichnet wurde: Bei dem professionellen Musiker fanden die Töne zu 98,2 Prozenten ohne Fehler den direkten Weg von seinem Kopf auf das Notenblatt.

Die Versuchspersonen gaben anschliessend an, das Komponieren mittels Gehirn-Computer-Schnittstelle habe ihnen viel Spass gemacht. Die Gedankenübertragung ist für sie gar nicht schwierig, so Müller-Putz: "Man muss sich auf den Ton konzentrieren und darf sich nicht allzu sehr ablenken lassen, aber es ist geistig nicht wahnsinnig anstrengend." Gedacht sei diese Anwendung für Menschen mit schweren Behinderungen, die nicht auf normalem Weg kommunizieren können, weil sie etwa an degenerativen Muskelerkrankungen oder Hirnschädigungen leiden. Auf diese Art könnten sie sich trotzdem kreativ mit der Musik beschäftigen, für verschiedene Instrumente Werke komponieren, und sie gleich anschließend per Musiksoftware anhören.

Würzburger Forscher haben zuvor schon ein Malprogramm mit der P300 Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, durch das Künstler mit schwerer Behinderung Gemälde für Ausstellungen in verschiedenen Ländern geschaffen haben.