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Die soeben publizierte "Global Internet Geography study" des US-Marktforschers TeleGeography zeigt deutliche Verschiebungen im Machtgefüge der Internet-Infrastruktur. Das globale Netz ist mittlerweile weit weniger abhängig von den USA als früher. Lokale Netzwerke befinden sich im Aufwind.

"Diesen Trend gibt es schon, seit das Internet von den USA aus die Welt erobert hat", sagt Dominique Petersen vom Institut für Internet-Sicherheit. Der Anteil an internationaler Netz-Kapazität, die mit den USA verbunden ist, hat seit 2007 in allen Regionen ausser Lateinamerika abgenommen. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen haben sich in den vergangenen Jahren weltweit dichte regionale Netzwerke gebildet und zum anderen braucht das Internet mit zunehmendem Verkehr einfach mehr Diversität. "Je weniger abhängig das Netz von einzelnen seiner Teile ist, desto weniger anfällig ist es auch für Angriffe und Störungen", sagt Petersen. Deshalb haben die Wächter des Rückgrats des Internets, also die Provider, auch die Anzahl der Hauptverbindungen, sogenannter "Backbones", erhöht.

Das führt auch zu einer Entlastung der bisherigen Hauptverbindungen. Der Anteil der Verbindung London-New York am transatlantischen Datenverkehr hat deshalb in den vergangenen sechs Jahren um 16 Prozent abgenommen, obwohl das Datenvolumen ständig steigt. Die Routen Paris-Washington und Frankfurt-New York haben die Last gleichmässiger verteilt.

Neben den Alternativrouten zu bestehenden Hauptknotenpunkten entstehen auch immer wieder neue Zentren. Brasilien oder die Türkei zum Beispiel sind im Begriff, die Vorherrschaft in ihren aufstrebenden regionalen Netzen zu übernehmen. "Die Entwicklung zum regionalen Knotenpunkt kann in wenigen Jahren abgeschlossen sein. Unser Messpunkt an einer brasilianischen Uni hat ergeben, dass der Verkehr dort schon heute mit dem an einer deutschen Hochschule vergleichbar ist", erklärt Petersen.

Kurze Wege

Diese Entwicklung der regionalen Netzwerke führt nicht nur zu einer Entlastung der interregionalen Geflechte, sondern auch zu kürzeren Signalwegen. Das Internet wird durch die Diversifizierung seiner Infrastruktur schneller. Seit 2007 ist die Anzahl der regionalen Verbindungen sowohl in Europa als auch in Asien schneller gewachsen als die der Leitungen in die USA. "Die heutigen Bandbreiten wären mit einem weniger regional strukturierten Netz überhaupt nicht mehr realisierbar. Die Regionalisierung wird weitergehen, weil auch der Bedarf an Bandbreite ständig wächst", so Petersen.

Auch Staaten haben ein Interesse daran, dass das weltweite Kommunikationsnetz unabhängiger von den USA wird. "Attacken auf das Netz in den USA können zu Problemen in Deutschland führen. Dieses Risiko ist jetzt geringer als früher", meint Petersen. Auch aus Angst vor Wirtschaftsspionage wünschen sich Staaten ein regionaleres Internet. Immer noch fest in US-Händen ist allerdings das Domain Name System (DNS), das Webseiten ihre Namen zuweist. "Da ist die Infrastruktur noch verwundbar", sagt Petersen. Die USA machen bislang keine Anstalten, die Kontrolle über das DNS aufzugeben.