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Der US-IT-Riese IBM will einen kommerziell verfügbaren, universell einsetzbaren Quantencomputer auf den Markt bringen. Das so genannte "IBM Q"-Quantensystem und dazu gehörende Services sollen über die IBM Cloud bereit gestellt werden.

Während Supercomputer wie Watson den Anwendern vertiefte oder sogar neue Einblicke in grosse Datenmengen geben, sollen Quantensysteme hingegen Lösungen für Aufgaben und Simulationen liefern, an denen klassische IT-Systeme scheitern. Deswegen sei ein kommerziell einsetzbarer Quantencomputer eine vielversprechende Technik, so Big Blue.

Der Konzern aus Armonk im US-Bundesstaat New York kündigt zudem zwei Neuheiten für das IBM Quantum Experience an, ein seit 2016 über die IBM Cloud angebotener Zugang zu einem aus fünf Qubits bestehenden Quantencomputer im IBM Watson Forschungszentrum im US-Bundesstaat New York. Nutzer können über den Zugang verschiedene Algorithmen ausprobieren, mit einzelnen Qubits arbeiten oder sich mit Hilfe von Tutorials und Simulationen zum Thema Quantencomputing weiterbilden. Bei den News handelt es sich zum einen um neue Programmierschnittstellen (APIs). Diese sollen in der ersten Hälfte dieses Jahres verfügbar werden und es Entwicklern ermöglichen, klassische IT-Systeme mit cloudbasierten Quantencomputern zu verknüpfen. Weitreichende Kenntnisse in Quantenphysik seien dafür nicht erforderlich, heisst es. Die APIs werden laut den Angaben auf Github veröffentlicht und beinhalten auch einfache Scripts, die die Funktionen der Schnittstellen demonstrieren.
Zum anderen hat IBM einen erweiterten Simulator auf dem IBM Quantum Experience in der Pipeline, der ein System von bis zu 20 Qubits simulieren kann. Daneben werde in den nächsten Monaten ein Software Development Kit (SDK) veröffentlicht, das es Nutzern erlaubt, einfache Quanten-Anwendungen und Software- Programme zu bauen.

Anwendungsmöglichkeiten von Quantentechnologien erweitern

Mit der Entwicklung von "Q-Systemen" will Big Blue die Anwendungsmöglichkeiten von Quantentechnologien ausbauen. Eine wichtige Größe sei dabei die Leistungsfähigkeit eines Quantensystems, das so genannte "Quantum Volume", so IBM. Sie beschreibt die Anzahl der zum Einsatz kommenden Qubits, die Qualität der Quantenoperationen innerhalb eines Systems sowie die Konnektivität und Parallelisierung der Qubits. In einem ersten Schritt zur Verbesserung des Quantum Volumes plant IBM die Entwicklung von kommerziellen IBM Q Systemen mit etwa 50 Qubits, um die Überlegenheit dieses Ansatzes gegenüber klassischen Computer zu demonstrieren. Daneben sollen gemeinsam mit Partnern Anwendungen entwickelt werden, die die Beschleunigung entsprechender Quantensysteme nutzen, so genannter Quantum Speedups.

Mit den Q Systemen sollen Probleme gelöst werden, mit denen klassische IT Systeme überfordert sind, weil sie von zu hoher oder von exponentieller Komplexität sind. Eines der ersten und vielversprechendsten Anwendungsfelder seien Simulationen von quantenmechanischen Vorgängen auf molekularer Ebene in der Chemie, so die Armonker. IBM Wissenschaftler haben bereits entsprechende Technologien für die Simulation von Problemen der theoretischen Chemie entwickelt. In Zukunft seien weitere Experimente mit komplexen Molekülen geplant, um bessere Vorhersagen über chemische Eigenschaften von Komponenten treffen zu können als es mit klassischen Computern heute möglich ist.

Weitere mögliche Anwendungen für Quantensysteme:
- Medikamenten- und Materialforschung, wo mit Hilfe von Quantentechnologien die Komplexität molekularer und chemischer Wechselwirkungen aufgelöst werden können und so die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Materialien ermöglicht wird
- Die Optimierung von globalen Lieferketten und Logistikabläufen
- Neue Ansätze bei der Analyse von Finanzinformationen und den ihr zugrundeliegenden vielfältigen Daten sowie entsprechender Risikobewertungen
- Der Ausbau bestimmter Elemente künstlicher Intelligenz wie beispielsweise Machine Learning
- Die Sicherheit von Daten in Cloud-Umgebungen durch die gezielte Ausnutzung quantenmechanischer Effekte

Der Vorgehensplan von IBM für den Einsatz kommerzieller Quantencomputer sieht vor, dass alle technischen Komponenten holistisch weiterentwickelt werden. Dazu gehören supraleitende Qubits, komplexe High Performance System Integration sowie Ansätze für die Produktion von Nanotechnologien in der Halbleiterfabrikation, um die Möglichkeiten der Quantenmechanik optimal nutzen zu können.

Ausbau des Q Ökosystems
IBM gibt sich davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit und Einbindung von Hard- und Softwareexperten sowie wissenschaftlichen Institutionen entscheidend für die Weiterentwicklung des IBM Q Systems sein wird. Seit dem Start des IBM Quantum Experience im letzten Jahr haben 40.000 Nutzer über 275.000 Experimente auf der Plattform durchgeführt. Wissenschaftler aus über 100 Ländern haben die Lernangebote genutzt und 15 wissenschaftliche Arbeiten und Artikel von Dritten sind dazu bereits veröffentlicht worden.

IBM arbeitet mit verschiedenen wissenschaftlichen Zentren wie beispielsweise dem Massachusetts Institute of Technology (MIT), dem Institute for Quantum Computing at the University of Waterloo und der École polytechnique fédérale de Lausanne(EPFL) zusammen, um IBM Quantum Experience als Lernmittel für Studenten zu verbessern.

"Um den Nutzen der Quantentechnologie zu vermitteln, braucht es den Zugang zu echten Quantencomputern," sagt dazu Isaac Chuang, Professor für Physik, Elektrotechnik und Informatik am MIT. "Bei unserem MITx Quantum Information Science II Kurs im Herbst letzten Jahres haben wir IBMs Quantum Experience den weltweit 1.800 Teilnehmern vorgestellt. Sie konnten dort Experimente machen und die Prinzipien sowie Theorien ausprobieren, die sie erlernt haben."

Neben der Arbeit mit Entwicklern und wissenschaftlichen Einrichtungen arbeitet IBM auch mit Partnern aus der Industrie daran, weitere potentielle Anwendungen für die Technologie zu identifizieren. Organisationen, die sich für eine Zusammenarbeit interessieren, können eine Mitgliedschaft im IBM Research Frontiers Institute beantragen - einem Konsortium, das ein Portfolio von grundlegenden Computertechnologien entwickelt und deren Potential untersucht. Gründungsmitglieder sind Samsung, JSR, Honda, Hitachi Metals, Canon und Nagase.