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Das Data Team, eine von Facebooks internen Forschungsgruppen, hat den Auftrag, die riesigen Mengen von Nutzerdaten nach Mustern zu durchforsten, die das Verständnis von sozialen Interaktionen zwischen Menschen verbessern sollen.

Die beinahe 850 Mio. Mitglieder, die ihren Alltag auf Facebook dokumentieren, liefern die grösste Ansammlung von Aufzeichnungen über menschliches Verhalten, die es je gegeben hat. Die Forschungsergebnisse der Daten-Truppe aus Sozialwissenschaftlern und Informatikern werden sogar teilweise publiziert und der Forschergemeinde zur Verfügung gestellt.

"Derzeit bietet Facebook nur begrenzte Möglichkeiten für die Wissenschaft, da Stichproben hier problematisch sind. Die Facebook-Nutzer bilden keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung. Facebook-Nutzer sind tendenziell jünger und besser gebildet. Viele Datensätze allein sind keine Lösung. Zudem ist der Datenschutz bei solchen Untersuchungen ein heikles Thema", kommentiert dies etwa Max Haller von der Universität Graz.

Für Facebook liegt die Hauptmotivation jedoch nicht im Finden neuer Erkenntnisse, sondern in der genaueren Anpassung der eigenen Produkte auf die Bedürfnisse der Nutzer. "Wir führen wissenschaftliche Untersuchungen zu unseren Produkten durch. Welchen Mehrwert ziehen Nutzer aus Facebook? Was bringt Interaktion? Wie ändert sich das Verhalten mit der Zeit? - Das sind die Fragen, die wir hauptsächlich untersuchen", sagt Cameron Marlow, Chef des Data Teams, gegenüber Technology Review. Diese Ergebnisse sind für Facebooks künftige Strategie entscheidend und gelangen nicht an die Öffentlichkeit,

Eine Studie über neue Produkte und die Gründe für deren Akzeptanz wurde kürzlich in "Proceedings of the National Academy of Sciences" publiziert. Ergebnis: Wenn ein neues Produkt von Freunden aus verschiedenen Bereichen des Lebens verwendet wird, führt das eher zu Akzeptanz als wenn einfach eine sehr grosse Zahl von Freunden ein Produkt verwendet. "Durch die Veröffentlichung unserer Ergebnisse können wir andere Forscher auf Probleme aufmerksam machen, an denen wir arbeiten", sagt Marlow.

Kein Spiegelbild der Wirklichkeit

Momentan beschäftigt sich das Data Team mit dem Einfluss von Facebook-Freunden auf die Interaktion mit Werbung und Marken im sozialen Netzwerk. Durch die Einführung der Timeline vergrössert sich der Datenschatz, der den Forschern zur Verfügung steht. Jetzt können sie auch Entwicklungen über einen längeren Zeitraum verfolgen, etwa den Einfluss verschiedener Regierungen auf die Zahl der Studenten, die ins Ausland gehen.

Allgemeingültige Aussagen sind auf Facebook nicht immer zu bekommen. Das liegt daran, dass Facebook kein repräsentatives Bild der Realität liefert. Zumindest für die Untersuchung der Beziehungen im Netzwerk selbst eignet sich Facebook aber sehr wohl. "Das geht, aber ebenfalls nur für bestimmte Arten von Untersuchungen", erklärt Haller.

Bessere Aussagen möglich

Aus den Ergebnissen können laut Marlow sogar einige Rückschlüsse auf analoge soziale Beziehungen gezogen werden. "Facebook hat versucht, ein Netzwerk zu erschaffen, das sozialen Beziehungen in der echten Welt so ähnlich wie möglich ist. Eine "Pew Internet and American Life"-Studie zeigt, dass durchschnittlich über 93 Prozent der Facebook-Freundschaften einer Person schon vorher in der Realität existiert haben", so Marlow.

Längerfristig kann sich der wissenschaftliche Wert der Facebook-Daten erhöhen. "Es ist denkbar, dass längerfristig allgemeingültige Aussagen möglich werden. Wenn beispielsweise über 90 Prozent der Menschheit im Netzwerk vertreten wären. Im Moment sehe ich das aber nicht", so Haller.