Die EU-Kommission präsentierte am Dienstag ihre neue Strategie zum Schutz von geistigem Eigentum im Internet (IPRED). Neben EU-weiten Vorschriften für Verwertungsgesellschaften und einer einfacheren Lizenzierung für "verwaiste Werke" will der zuständige Kommissar Michel Barnier Probleme wie illegale Downloads "an der Wurzel" bekämpfen.

Der "technologische Wandel und insbesondere die wachsende Bedeutung der Internettätigkeiten" habe das Umfeld der Rechte des geistigen Eigentums in den vergangenen Jahren "einschneidend verändert", so die Kommission in ihrer Aussendung. Während das Internet grenzenlos sei, bestehe in Europa noch immer ein Puzzle aus nationalen Onlinemärkten und Vorschriften, die zu modernisieren wären. EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier legte in Brüssel eine Reihe von Vorschlägen vor, um das Urheberrecht in der EU zu stärken. Ziel sei es einerseits, den Schutz der Werke und die Bezahlung der Urheber zu sichern. "Andererseits benötigen Verbraucher und Nutzer Zugang zu kulturellen Inhalten, zum Beispiel Online-Musikangeboten, damit neue Geschäftsmodelle verwirklicht werden und kulturelle Vielfalt gedeihen können", sagte Barnier.

Der Vorschlag umfasst eine Vielzahl an Punkten vom gemeinsamen EU-Patent bis zu schärferen Massnahmen gegen Produktpiraterie. Den Plänen müssen der EU-Ministerrat, in dem die Regierungen der 27 Staaten vertreten sind, sowie das Europaparlament zustimmen. Spätestens 2013 soll der Vorschlag umgesetzt werden. Der Kommission zufolge sollen Urheberrechte künftig nicht mehr allein auf nationaler Ebene lizenziert und vergütet werden. In der zweiten Jahreshälfte will Barnier einen Rechtsrahmen "für die effiziente länderübergreifende gemeinsame Verwaltung von Urheberrechten, insbesondere im Musiksektor" vorlegen. Geplant sind zudem EU-weite Vorschriften für Vergütungsgesellschaften. Auch eine "Konsultation zu den verschiedenen Aspekten des Internet-Vertriebs audiovisueller Werke" soll es geben.

Für "verwaiste Werke" soll es zudem ein vereinfachtes Lizenzierungssystem geben, so die Kommission. Die zwar noch urheberrechtlich geschützten Werke, deren Rechteinhaber aber unbekannt sind, sollen dadurch digitalisiert und im Internet abrufbar gemacht werden. Auch in dem von Google zuletzt vorgelegten Vergleich zum Verfahren zur Digitalisierung von Millionen von Büchern spielten "verwaiste Werke" eine grosse Rolle. Für das Projekt Google Books wollte der Internetkonzern auch diese Werke scannen und anbieten dürfen. Ein US-Richter kippte den Vergleich jedoch im März. Nach dem präsentierten Gesetzentwurf soll im Land der erstmaligen Veröffentlichung der Verfasser recherchiert werden. Danach müssen die Bibliothek oder das Kulturinstitut den Titel in einer europaweit zugänglichen Datenbank einstellen. Der Status der Werke wäre europaweit gültig und das geistige Eigentum geschützt. Zudem sind Entschädigungen vorgesehen, falls der Inhaber des Copyrights doch noch auftaucht. Nach Schätzungen der EU-Kommission steht bei bis zu 40 Prozent der Bücher, Filme, Fotos und Musikaufnahmen in Europas Bibliotheken der Urheber nicht fest.

Barnier verfolgt zudem das Ziel, die Kosten und Regeln für private Kopien von Büchern oder CDs in den 27 Mitgliedsländern anzugleichen, die derzeit etwa beim Kopieren oder dem Kauf eines Kopierers erhoben werden. Der Verletzung von Urheberrechten will der Franzose nach eigenen Worten "an der Quelle" begegnen. Beim widerrechtlichen Tausch von Filmen oder Musik im Internet sieht der Kommissar dabei besonders die Anbieter von Tauschbörsen in der Pflicht. Im Frühjahr 2012 wolle die Kommission eine Überarbeitung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorschlagen.

Die französische Netzbürgerrechtsgruppe La Quadrature du Net hatte bereits im Vorfeld Kritik am Entwurf geäussert. Wenig überraschend sei, dass die Kommission Urheberrechtsverletzungen "an der Wurzel" bekämpfen will, indem Internet-Betreiber den Intentionen und Wünschen der Unterhaltungsindustrie folge leisten sollen. Internetprovider zu einer "Compyright-Polizei" zu machen, käme der Installation eines Zensurenregimes gleich, das den Weg für die Verletzung von Grundrechten ebne, heißt es in der Stellungnahme.