Symbolbild:Bechtle Steffen

Trotz des Bedarfs an digitalen Fähigkeiten am Arbeitsplatz ist die digitale Kompetenz an europäischen Schulen immer noch stark begrenzt. Stattdessen erwerben und nutzen Schüler ihre digitalen Kompetenzen eher ausserhalb der Schulen, werden dabei aber in kritischen Bereichen wie der Erstellung digitaler Inhalte, dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre nicht ausreichend ausgebildet. Dies belegt die aktuelle Fujitsu Studie "Program for International Digital Skills Assessment" (Fida), in Auftrag gegeben wurde, um die aktuellen digitalen Kompetenzen an europäischen Schulen zu bewerten. Der Fida-Bericht liefert eine aktuelle Momentaufnahme des Stands der digitalen Kompetenzen von Schulabgängern.

Die Untersuchung zeigt, dass es in fast allen Ländern Defizite bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen in den Schulen gibt. Eine Ausnahme bildet Dänemark, hier wurde schon sehr früh auf digitale Prozesse umgestellt. So arbeiten beispielsweise 86 Prozent der dänischen Schüler mindestens einmal pro Woche online zusammen, während es etwa in Deutschland nur zwölf Prozent sind. Auch das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien liegen zurück. Diese Diskrepanz ist gemäss der Studie zum Teil auf die mangelnde Akzeptanz seitens der Lehrkräfte zurückzuführen, die nicht die dringende Notwendigkeit der digitalen Nutzung in den Schulen sehen: In Deutschland stimmen nur neun Prozent der Lehrer dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht "voll und ganz" zu, in Dänemark sind es hingegen 64 Prozent.

Folglich erwerben die meisten Schüler ihre digitalen Fähigkeiten ausserhalb der Schule. Deutschland weist die grösste Diskrepanz bei der Nutzung digitaler Medien innerhalb und ausserhalb der Schule auf: nur 23 Prozent nutzen digitale Medien in der Schule, aber 92 Prozent bei ausserschulischen Aktivitäten. Die tägliche Nutzung digitaler Medien in der Schule ist aber vor allem während der zwei Jahre Pandemie erneut stark gestiegen – von 2019 bis 2021 stieg die Zahl von 39 auf 68 Prozent.

Digitale Medien scheinen für die meisten Schulen kein Schwerpunkt im Schulalltag zu sein, denn nur 16 Prozent der Lehrkräfte in Frankreich und neun Prozent in Deutschland räumen der Nutzung Priorität ein. Der Umfrage zu Folge werden digitale Medien hauptsächlich nur für kleine Forschungsprojekte oder die Online-Recherchen genutzt. Digitale Schlüsselkompetenzen wie Online-Zusammenarbeiten werden hingegen nur von einer Minderheit der akademischen Einrichtungen genutzt: nur 21 Prozent in Frankreich, 15 Prozent in Italien, zwölf Prozent in Deutschland und neun Prozent in Finnland. Der Umfrage zur Folge steht die Vermittlung von verantwortungsvollem Verhalten im Internet lediglich im Vereinigten Königreich (95 Prozent) ausreichend auf dem Programm. Die meisten anderen Länder wie Österreich (70 Prozent), Dänemark (48 Prozent), Frankreich (70 Prozent), Italien (53 Prozent), Deutschland (74 Prozent), die Niederlande (64 Prozent) und Portugal (62 Prozent) haben in diesem Bereich noch Raum für Verbesserungen.

In Frankreich ist fast die Hälfte (48 Prozent) der Studierenden der Meinung, dass das Land bei der Ausstattung und den digitalen Diensten in der Hochschulbildung im Rückstand ist. Im Vergleich dazu sind nur 20 Prozent der Studierenden mit der Ausstattung und den Diensten ihrer Hochschule zufrieden. In Deutschland halten etwa 30 Prozent der Schulleiter die verfügbare Internetgeschwindigkeit für ausreichend und nur weniger als ein Drittel (30 Prozent) stimmen zu, dass eine gute Plattform zur Unterstützung zum Lernen Online zur Verfügung steht. Die Deutschen sind ausserdem der Meinung, dass Lehrkräfte digitale Medien grundsätzlich nicht effektiv vermitteln können. Der Report zeigt ausserdem, dass sich Deutschlands Schüler zwischen 14 und 19 Jahren mehr Ausbildung zum korrekten Verhalten im Internet und in sozialen Netzwerken wünschen, und mehr über die Erstellung und Veröffentlichung von digitalen Inhalten und rechtliche Themen lernen möchten. Schulleiter in ganz Europa betonten, dass Lehrkräfte darin bestärkt werden müssen, digitales Fachwissen weiterzugeben und die IT-Infrastruktur in allen Schulfächern zu nutzen - durch regelmässige Schulungen und starke, langfristige Partnerschaften mit Anbietern digitaler Lösungen.

"Die meisten Initiativen zur Computerkompetenz im europäischen Bildungssystem konzentrieren sich auf den Umgang mit Computern, versäumen es aber Kompetenzen darüber hinaus, die das Leben und die Arbeitswelt heute voraussetzen, zu vermitteln," sagt Christian Swertz, Professor für Medienpädagogik an der Universität Wien. "Schüler sollten für den Arbeitsplatz relevante Medien kennenlernen, lernen Inhalte zu erstellen, in einem interaktiven, kooperativen und individualisierten Klassenzimmer."

Während sich die Schüler bei der Nutzung digitaler Medien zur Kommunikation und Zusammenarbeit wohl fühlen, fehlt ihnen die Kompetenz zu Problemlösungen oder der Erstellung digitaler Inhalte. Arbeitgeber in ganz Europa bestätigen dieses Defizit: Berufsanfängern im Allgemeinen fehlen grundlegende digitale Fähigkeiten wie das Erstellen einer Präsentation, die Verwendung von Kalkulationstabellen und Office-Software. Noch schwerwiegender ist die mangelnde Kompetenz im Bereich Datenschutz und Privatsphäre. Mehr als die Hälfte der Unternehmen stellen fest, dass ihre Auszubildenden nicht über ausreichende Kenntnisse verfügen. Ein schwerwiegendes Defizit, denn in Deutschland sollen in den kommenden Jahren bis zu 700.000 neue Arbeitsplätze in Handels-, Versicherungs- und Finanzunternehmen entstehen, die digitale und technologische Kompetenzen voraussetzen.

Zur Studie: Das Fujitsu Program for International Digital Skill Assessment (Fida) ist eine halbjährlich stattfindende Forschungsinitiative, die den Bedarf an digitalen Fähigkeiten von Schülern und Studenten ermittelt und wertvolle Erkenntnisse über geeignete Massnahmen liefert. Fida ist eine Meta-Analyse: Die Ergebnisse wurden durch die Zusammenstellung von Daten aus mehreren nationalen Studien gewonnen. In einem ersten Schritt wurde der aktuelle Forschungsstand zur Medien- und Medienkompetenz europäischer Schülerinnen und Schüler untersucht. Hierfür hat Statista aktuelle nationale Studien, Umfragen, Berichte und Publikationen identifiziert und die wichtigsten Erkenntnisse in verständlicher Form aufbereitet. Darüber hinaus wurden multinationale Studien einbezogen, um einen Vergleich der Ergebnisse zu ermöglichen.