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Die optimale Bewirtschaftung und Nutzung von Daten spielt eine wichtige Rolle, denn sie ist Voraussetzung für effiziente Geschäftsprozesse. Das professionelle Management von Stammdaten steht deshalb ganz oben auf der Traktandenliste vieler IT-Organisationen.

Gastbeitrag von Dr. Dimitrios Tombros, Leiter Informationsmanagement bei der AWK Group

Neben dem operativen Geschäft, das den direkten Nutzen geniesst, profitiert auch die IT spürbar vom professionellen Management von Stammdaten. Gemäss Gartner liessen sich mittelfristig die Kosten für das Eliminieren von Datenredundanzen um bis zu 60 Prozent reduzieren. Jedoch gibt es professionelles Stammdatenmanagement nicht gratis. So gilt auch für ein Stammdatenmanagement-Vorhaben: Nur dann investieren, wenn der Business Case attraktiv ist.

Warum Stammdatenmanagement

Wer kennt es nicht, dass die Korrespondenz trotz Umzugsmeldung weiterhin an die alte Adresse geschickt wird. Oder dass Klassifizierungscodes beim Export von Produkten fehlen. Und dass Mengeneinheiten bei Produkten vertauscht oder falsch zugeordnet wurden. Dass Ratings bei der Risikoanalyse nicht standardisiert wurden und deshalb nicht belastbar sind. Solche Ärgernisse sind meist auf Qualitätsprobleme bei der Verwaltung von sogenannten Stammdaten zurückzuführen.

In der Regel verwaltet jede Applikation ihre eigenen Stammdaten. Und jede Organisationseinheit, jeder Benutzerkreis verfügt über seine eigene Definition dieser Stammdaten. Das Resultat ist eine Vielzahl von isolierten „Datensilos“ mit kostspieligen Folgen:
- Redundante Datenhaltung und dadurch teure und wiederholte Pflege derselben Stammdaten in verschiedenen Applikationen
- Häufiger Abgleich von Stammdaten zwischen verschiedenen Datenbanken nötig
- Fehler aufgrund inkompatibler Datenformate für dieselben Attribute
- Missverständnisse durch gleichlautende Attribute mit unterschiedlicher Bedeutung
- Fehler aufgrund unterschiedlicher Bezeichnungen für an sich identische Objekte
- Keine verlässliche Gesamtsicht auf die Daten

Diese Mängel verursachen zusätzliche Kosten in der Datenpflege und Imageschäden beim Kunden. Sie hindern aber auch die Entwicklung eines Unternehmens durch suboptimale oder ineffiziente Geschäftsprozesse. Gemäss einer Umfrage, welche die Analysten der Aberdeen Group im Auftrag von Trillium Software weltweit durchgeführt haben, gelten folgende Punkte als Treiber für Investitionen in das Stammdatenmanagement:
- Fehlerhafte Entscheidungen aufgrund schlechter Datenqualität
- Suche nach relevanten Informationen ist zu kompliziert / zu zeitaufwändig
- Bedarf aufgrund eines ERP-Upgrades / bzw. einer ERP-Implementierung oder -konsolidierung
- Fehlende bzw. mangelnde Unterstützung der Geschäftsprozesse durch die aktuelle Datenarchitektur
- Daten können nicht auf verschiedenen Plattformen eingesetzt werden

Wert des Stammdatenmanagements

Bevor Investitionen in das Stammdatenmanagement getätigt werden, ist der erzielbare Nutzen finanziell abzuschätzen (Business Case). Mittels einer fundierten Analyse und mit engem Einbezug der Stakeholder aus den Geschäfts- und Finanzbereichen lassen sich dennoch folgende Aspekte identifizieren und in Zahlen fassen:

- Bearbeitungsaufwand: Stammdatenmanagement reduziert den Aufwand für die Erfassung, Mutation und das Löschen von Daten, da diese Aktionen nur noch einfach und nicht mehrfach anfallen.
Quantitativer Nutzen: Zeitersparnis Datenbearbeitung

- Prozessunterstützung: Eine durchgängige Stammdatenlösung mit automatischer Aktualisierung der Daten führt dazu, dass verschiedene nachgelagerte Prozesse automatisch statt manuell und mit den korrekten Inputdaten ausgelöst werden können. Neben dem quantifizierbaren Nutzen, der durch den Wegfall der manuellen Weitermeldung und Prozessinitialisierung entsteht, ergibt sich ein qualitativer Nutzen durch die Vermeidung von Fehlern bei der Datenweitergabe.
Quantitativer Nutzen: Zeitersparnis Prozess-/Meldungsauslösung, Zeit- und Kostenersparnis durch Wegfall von Datenbereinigungsmassnahmen und Fehlersuche

- Reduktion von Imageschäden und Fehlerkosten: Stammdatenmanagement mindert verschiedene, oft bedeutende Risiken, die mit den Mitteln der Risikoanalyse erhoben und bewertet werden können. Fehlerhafte Kundendaten oder falsche Produktinformationen können zu Imageschäden und Fehlerbehandlungskosten führen sowie Kundenverluste nach sich ziehen.
Quantitativer Nutzen: Kostenersparnisse durch Reduktion der Anzahl Kundenreklamationen (z.B. geringere Belastung des Kundendienstes), geringere Fehlerbehebungskosten (z.B. weniger Rücksendungen auf Grund fehlerhafter Lieferungen), geringere Umsatzeinbussen wegen weniger Kundenabgängen

- Reporting: Ein korrektes Berichts- und Steuerungswesen setzt eine saubere, konsolidierte Stammdatenbasis voraus. Ohne geordnete Stammdatenverwaltung ist der Einsatz fortschrittlicher Reporting-Lösungen aufwändig und vor allem fehleranfällig.
Quantitativer Nutzen: Zeit- und Kostenersparnis durch Wegfall manueller Datenbereinigungs- und Datenkonsolidierungsmassnahmen. Verminderung von Kosten auf Grund von besseren Entscheidungen und/oder fehlender Compliance

- Marktchancen. Data Mining stellt heute Methoden zur Verfügung, um auf einer grossen Datenbasis gezielt Chancen für effizientes Up- und Cross-Selling zu identifizieren. Je genauer die zugrundeliegenden Daten und je präziser die vollständige Charakterisierung der Objekte (Kunden, Produkte) samt ihren Verknüpfungen, desto geringer die Streuverluste und erfolgversprechender die Initiativen.
Quantitativer Nutzen: Geringere Streuverluste von Verkaufsmassnahmen

Ein übergreifendes Stammdatenmanagement ist eine Grundvoraussetzung für die Beschleunigung und Vereinfachung der Geschäftsprozesse und führt zu einer nachhaltigen Reduktion der Fehlerkosten. Nicht nur der Kunde, der seine Adressänderung nur noch einmal melden muss, auch Marketing-, Verkaufs-, Research-, Beschaffungs- und Personalabteilung profitieren direkt davon, wenn relevante Informationen schneller zur Verfügung stehen und ein Unternehmen näher am Markt agieren kann.

Der Weg zum professionellen Stammdatenmanagement

Um erfolgreich zu sein, muss ein Stammdatenmanagement-Vorhaben den angestrebten Nutzen innerhalb eines vernünftigen Zeitraums erzielen. Für Stammdatenmanagement-Projekte eignet sich ein phasenweises Vorgehen mit Iterationen.

Typische Fragen in der Analysephase beziehen sich auf die Inventarisierung der Stammdaten und die Analyse ihrer Qualität (Discovery): Wie sind Stammdaten definiert und in welchen Datenbanken werden sie verwaltet (System-/Stammdaten-Matrix)? Wie ist die Qualität der Stammdaten und wie wirkt sie sich auf das Prozessergebnis aus? Wer produziert sie, wer konsumiert sie? Wo liegen Überlappungen vor?

Typische Fragen in der Strategiephase beziehen sich auf Data Governance und Nutzen: Welche Stammdaten sollen prioritär behandelt werden? Welche Stammdatenmanagement-Prozesse werden benötigt? Wie sollen Stammdaten verfügbar gemacht werden und eine Service-orientierte Architektur in diesem Zusammenhang sinnvoll?

In der Konzeptphase werden die Architektur und konkrete Lösungsvarianten entwickelt, inklusive Datenmodell. Je nach gewähltem Architekturstil steht die Stammdatenmanagement-Service-Definition im Vordergrund. Während der Umsetzung sind insbesondere die Aspekte der Datenmigration und -konsolidierung zentral.

Folgende Erfolgsfaktoren sind für Stammdatenmanagement-Projekte dann massgeblich:
- Scope muss immer unter Einbezug der Business-Vertreter definiert werden
- Business Case basierend auf grob quantifiziertem Nutzen muss genügend attraktiv sein
- „Think big, start small and keep measuring“: Klare Zielvorstellungen, kleine Schritte mit messbarem finanziellen Nutzen und Einhalten der 80/20-Regel
- Intensive Beteiligung der Stakeholder (Daten- und Prozesseigentümer, Datenqualitätsverantwortliche, Nutzniesser der Daten) bei Definition, Messung und Abnahme der Resultate (Stakeholder sind sensibel bezüglich Dateneigentum)
- Typische Herausforderungen beachten: So die Differenzen zwischen Fachbereichen über die Semantik der Daten, was die Erstellung eines gemeinsamen konzeptionellen Datenmodells erschwert. Zudem die Schwierigkeit, in Legacy-Systeme einzugreifen und Datenmodelle anzupassen (manuelle Datenpflegeprozesse sind die beschwerliche Alternative)

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Bild: Pixelio