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Wie neue Funde im Archiv der ETH Zürich zeigen, spielte sich beim Bau der Ermeth (elektronische Rechenmaschine der ETH), der vor 60 Jahren begann, ein Drama ab. Die Fertigung des ersten Schweizer Computers war geprägt von kaum überwindbaren technischen Schwierigkeiten, erheblichen Lieferverzögerungen, Geldnot und dem vorzeitigen, kurzfristigen Weggang des Chefingenieurs.

Die dritte und endgültige Fassung des Projekts für den Bau einer neuen programmgesteuerten Rechenmaschine stammt vom 1. Mai 1953.

Die Ermeth (elektronische Rechenmaschine der ETH) ist der erste in der Schweiz gebaute Computer. Entwicklung und Bau kosteten schliesslich über eine Million Franken, 200.000 Franken mehr als geplant. Das programmgesteuerte Gerät wurde von 1953 bis 1956 im Hauptgebäude der ETH Zürich hergestellt. Vorgängerin war die gemietete Zusemaschine Z4, die von 1950 bis 1955 an der ETH in Betrieb war. Im Unterschied zu diesem elektromechanischen Relaisrechner war die Ermeth ein elektronischer Röhrenrechner. Die nächste Generation bildeten Transistorcomputer. Verantwortlich für das Vorhaben waren Eduard Stiefel, Vorstand des Instituts für angewandte Mathematik der ETH Zürich, Chefmathematiker Heinz Rutishauser und Chefingenieur Ambros Speiser.

Die Entstehung des ersten Schweizer Rechenautomaten war von zermürbenden Ereignissen überschattet. Das offenbaren bisher unbekannte Dokumente, die in den letzten Wochen im Archiv der ETH-Bibliothek entdeckt wurden. Eine Übersicht über die Pannen und Pleiten:
• Der Hersteller der Stromversorgung (Elwex, Luterbach SO) ging kurz nach der Bestellung Pleite, was zum Verlust der Anzahlung führte.
• Die Relais (Schaltvorrichtungen) der Berner Hasler AG (heute Ascom) hielten in den Versuchen der Belastung nicht stand, so dass nicht – wie ursprünglich vorgesehen – ein Relaisrechner, sondern ein Röhrenrechner gefertigt wurde. Hasler wirkte am Bau der Ermeth massgeblich mit. Der berühmteste damalige Gelehrte der Rechentechnik, Howard Aiken von der Harvard-Universität, hatte der ETH einen Eigenbau empfohlen, obwohl bereits erste Computer (z.B. von Ferranti, Manchester) erhältlich waren.
• Die Zürcher Firma Remington Rand war nicht in der Lage, die bestellten Lochkartengeräte (Rechenlocher M10) zu liefern. Sie trat nach langem Streit über Nacht auf Geheiss des amerikanischen Mutterhauses vom Vertrag zurück. Die technischen Schwierigkeiten waren so hoch, dass eine mehrjährige Verzögerung entstand. Selbst der Besuch von Presper Eckert – Chefingenieur des damals berühmtesten amerikanischen Elektronenrechners Eniac und zahlreicher bedeutender Univac-Maschinen – in Zürich brachte keine Lösung. Schliesslich kamen Ersatzgeräte (Univac 120) zum Einsatz. Es gab scharfe Auseinandersetzungen zwischen der ETH und Remington Rand, verbunden mit Schadenersatzforderungen.
• Bei der anspruchvollen Konstruktion des grossen Magnettrommelspeichers waren viel Geduld und Ausdauer gefragt, trotz zweier Prototypen. Die Speichertrommel konnte erst mit fast einjähriger Verspätung versuchsweise genutzt werden. Der geschickte Autodidakt Jan de Fries von der Empa, ehemals in Zürich, war am Bau des elektronischen „Gedächtnisses“ federführend beteiligt.
• Die erste Klimaanlage von Sulzer, Winterthur, war unbrauchbar und musste durch eine leistungsfähigere ersetzt werden. Sie vermochte den von Elektronenröhren aufgeheizten Raum nicht ausreichend zu kühlen.
• Während der ganzen Bauzeit gab es Geld- und Personalprobleme. Die ETH fühlte sich auch von den neuen amerikanischen Forschungszentren bedroht, die mit hohen Löhnen Spitzenforscher abwarben.
• Der Chefingenieur, Ambros Speiser, verliess Ende 1955, vor der Vollendung der Maschine, kurzfristig die ETH und wurde Gründungsdirektor des IBM-Forschungslabors (heute in Rüschlikon). Der Wechsel hatte ein Zerwürfnis mit der Hasler AG und der ETH zur Folge und verdarb den Aufbau einer Schweizer IT-Industrie.
• Der Chefmathematiker, Heinz Rutishauser, Mitschöpfer der Programmiersprache Algol, litt zeitweise unter argen Kreislaufstörungen.
Für den Vorstand des Instituts für angewandte Mathematik, Prof. Eduard Stiefel, wurde der Rechnerbau zu einem Albtraum. Er beklagte sich mehrfach über die unzumutbare Belastung. Ohne die tatkräftige Unterstützung des Schweizer Schulratspräsidenten, Prof. Hans Pallmann, wäre das Projekt wohl gescheitert. Schliesslich gelang das Vorhaben dennoch: Die Maschine wurde 1957 voll in Betrieb genommen. Die Lochkartenanlagen von Remington Rand wurden aber erst 1958 angeschlossen. Die Ermeth wurde bis 1963 erfolgreich genutzt. Heute steht sie (samt Magnettrommel) im Museum für Kommunikation in Bern. Obwohl der Digitalrechner etwas mehr als eine Million Franken verschlungen hatte, war er viel schwächer als heutige Kleinstrechner.

Buchhinweis:
Herbert Bruderer: Konrad Zuse und die Schweiz. Wer hat den Computer erfunden? Oldenbourg-Verlag, München 2012, 250 Seiten

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