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Die Corona-Krise hat die Defizite vieler Unternehmen bei der Digitalisierung deutlich aufgezeigt. Damit bestätigt die aktuelle Situation auch die Ergebnisse des Investitionsreports 2020 der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG). Demnach bewerten 61 Prozent der Umfrageteilnehmer aus der Schweiz ihr Unternehmen als "nicht sehr weit", wenn es um die Digitale Transformation geht. Obwohl die Unternehmen rein technologisch bereits einen hohen Digitalisierungsgrad erreicht haben könnten, zeigt sich jetzt in Krisenzeiten, wie unflexibel sie teilweise sind, z. B. wenn es um Zahlungsverfolgung, Lieferströme oder die Anpassung der Produktion an die neuen Bedingungen geht. Aus DSAG-Sicht sei dies ein Grund dafür, dass viele Unternehmen lediglich auf Prozessebene optimieren, die Geschäftsmodelle jedoch gleich blieben.

"Diese Krise veranschaulicht nun klar die Folgen aus der Zurückhaltung der Unternehmen in Bezug auf die Digitalisierung. Sie tun sich teilweise schwer, das geforderte Tempo aufzunehmen und entsprechend zu agieren", kommentiert dazu Christian Zumbach, DSAG-Vorstand für die Schweiz. Die Folge: Zahlungs- und Warenströme sowie Kundenverhältnisse brechen in sich zusammen. Aus DSAG-Sicht zeigen sich hier auch die Folgen kurzfristiger Bestrebungen zur Gewinnmaximierung, eingefahrener Marktkanäle und fehlender Markttransparenz. "Darüber hinaus hat sich die Welt der Echtzeitprozesse verändert. Es genügt nicht mehr, das eigene Angebot zu optimieren. Vielmehr gewinnen intelligente Netzwerke aus Lieferanten und Partnern sowie übergreifende Prozessabläufe und gemeinsame Datennutzung an Bedeutung", so Otto Schell, stellvertretender DSAG-Vorstandsvorsitzender. Daher seien die Unternehmen, die sich bereits frühzeitig mit vernetzen Modellen, künstlicher Intelligenz oder Blockchain auseinander gesetzt hätten, jetzt vielleicht im Vorteil. Denn: Digitale Prozesse und Geschäftsmodelle sind zumeist effizienter und bilden die Voraussetzung dafür, in einem sich wandelnden Markt erfolgreich zu sein.

Hinsichtlich geplanter SAP-Projekte wie S/4Hana-Einführungen rechnet die DSAG damit, dass es zu Verschiebungen und Stopps kommen wird – auch da die Projektmitarbeiter von Kurzarbeit oder anderen internen Massnahmen betroffen sein können. "Derartige Ausnahmesituationen können durchaus dazu führen, dass Zahlungsziele und damit Projekttermine hinausgezögert werden. Es wird aber auch nicht ausbleiben, dass die eine oder andere Organisation gleich ihre gesamte Strategie auf den Prüfstand stellt", beschreibt Zumbach. Darüber hinaus erwartet die DSAG, dass vielfach die Diskussion On-Premise versus Cloud wieder angeregt werde. "Das wäre durchaus möglich, da SAP im April ihre Umsatzprognosen korrigiert hat. Gerade die üblicherweise gewinnträchtigen Software-Lizenzen gingen im ersten Quartal um 31 Prozent zurück", betont Zumbach.

Bezogen auf SAP-Projekte empfiehlt die Interessenvertretung ihren Mitgliedsunternehmen jetzt vor allem auf Basis der unterschiedlichen Parameter permanent zu planen, um Projektstaus zu vermeiden. Die DSAG rät Unternehmen, entsprechenden Projekten einen strategischen Status zu geben. "Auf diese Weise werden sie in der Geschäftsführung sichtbar und in die Gesamtarchitektur eingebunden. Zudem lässt sich die Zeit nutzen, um festzulegen, wo gewohnte Wege weitergegangen und wo andere einschlagen werden sollen", argumentiert Schell.

Bezogen auf die wirtschaftlichen Massnahmen des schweizerischen Bundesrates ist die DSAG davon überzeugt, dass das Ziel, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und damit dessen hohen Standard zu halten, Priorität haben sollte. Gleichzeitig sei es aus DSAG-Sicht wünschenswert, dass Bund und Kantone sich schnell und kontinuierlich abstimmen, um trotz föderalistischer Strukturen eine einheitliche Linie zu fahren. Insgesamt zeigt die Pandemie, dass Diskussionen z. B. über die Ausweitung künstlicher Intelligenz, konsequenter geführt werden sollten.

Nach der Pandemie wird aus Sicht der DSAG ein strukturiertes Anfahren für die Unternehmen im Vordergrund stehen. "Es wird vor allem darauf ankommen, Umsatzverluste möglichst gering zu halten und, soweit als möglich, Vorsorge zu treffen für das nächste Geschäftsjahr", kommentiert der DSAG-Vorstand für die Schweiz und ergänzt: "Als Anwendervereinigung sehen wir in allen Branchen und Bereichen verschiedene Herangehensweisen, damit zu gegebener Zeit die betriebliche Normalität wieder einkehren kann. Neue digitale Geschäftsmodelle dürften aktuell eher weniger auf den Agenden stehen." Das resultiere auch daraus, dass Massnahmen wie Kurzarbeit, um Gewinne und Verluste zumindest auszugleichen, noch eine gewisse Zeit dominieren werden.

Daneben werden Unternehmen voraussichtlich Investitionen verschieben und neu bewerten, da die nötigen Mittel nicht mehr verfügbar sein werden. "Daher ist die Gefahr gross, dass insbesondere Transformationsprojekte, die erstmal wirtschaftlich nicht attraktiv sind, hinten angestellt werden. Somit ist zu befürchten, dass die Situation bei einer neuen Krise ähnlich sein wird und sich dies auch in den Budgets für 2021 widerspiegelt", prognostizieren die beiden DSAG-Vorstände. Insgesamt rät der Interessenverband seinen Mitgliedsunternehmen vor dem Hintergrund bestehender Krisen oder noch kommender Herausforderungen in einer Welt zunehmend autonomer Prozesse, in neuen Geschäftsmodellen zu denken.