Transfair Talk 2022:Blick auf das Podium (Bild: zVg)

Transfair, der Personalverband für Arbeitnehmende aus dem Service Public, hat dieser Tage Sozialpartner, Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und junge Menschen in Ausbildung zum Transfair Talk 2022 eingeladen, um mit ihnen an verschiedenen Podiumsdiskussionen über den Mangel an ICT-Fachkräften in der Schweiz zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen.

In ihrer Begrüssung merkte Greta Gysin, Co-Präsidentin von Transfair und Nationalrätin, an, dass es in der Schweiz – vor allem im internationalen Vergleich – in Bezug auf ihren Arbeitsmarkt und ihren Fachkräften grundsätzlich gut bestellt sei, dass es jedoch besonders im ICT-Bereich an Fachpersonen mangle und das eine fortschrittliche Sozialpartnerschaft in dieser Wachstumsbranche von grossem Nutzen und Mehrwert sein könne.

Angeleitet von Valérie Berset-Bircher diskutierten dann Nicolas Durville (CEO Zühlke), Serge Reymond (Präsident Ecole42), Bruno Schumacher (Leiter Berufseinstiege Schweizerische Post) Robert Métrailler (Branchenleiter ICT von Transfair) darüber, wie man den ICT-Nachwuchs am besten fördern könne. Die Podiumsteilnehmer waren sich darüber eeinig, dass in mehreren Bereichen ein Effort und neue Impulse benötigt würden. Allem voran brauche es mehr Kooperation und Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren (Politik, Unternehmen, Jugend, Gewerkschaften, Bildungswesen), um nachhaltige Lösungen zu finden. Die Strategie des oft angesprochenen Nearshorings – also das Verlagern von Arbeitsplätzen ins nahegelegene Ausland – habe seine Limiten und sei nicht die richtige Art, um das Problem des Fachkräftemangels anzugehen.

In der Diskussion entstanden in der Folge etliche andere Ideen und Lösungsansätze:
- Quereinsteigern, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Arbeitslose für ICT-Berufe begeistern und rekrutieren
- Den dualen Berufsweg stärken und attraktiver – vor allem im Vergleich des gymnasialen Wegs – gestalten und als gleichwertige Möglichkeit positionieren
- bessere Rahmenbedingungen – unter anderem in der Form einer besseren Vereinbarkeit des Berufs- und Privatlebens, damit die Fachkräfte in allen Lebenssituationen im Beruf bleiben
- mehr Investition in die Schule und Ausbildung, damit motivierte Lehrkräfte die Begeisterung für die technische Welt vermitteln
- ICT-Berufe für Frauen attraktiv machen
- Image der technischen Berufe aufpolieren und attraktiver machen

Um die Debatte zu vertiefen und einen Blick in die Zukunft zu werfen, ergriffen junge Menschen in Ausbildung das Wort. Im Gespräch mit Maria Bandeira Santana, Sylvester Homberger, Thomas Moret et Guillaume Aubert wurde schnell klar, dass dringend Verbesserungen jeglicher Art notwendig wären, damit junge Menschen – besonders auch Frauen – in ICT-Bereichen Fuss fassten:
- Bessere Qualität in der Ausbildung und motivierteres Lehrpersonal, das auch am Puls der Zeit ist
- Mehr und spezifischere Lernangeboten, die den Facetten der ICT-Berufe gerecht werden
- Ein bestärkendes Umfeld, das junge Menschen auf ihrem Weg unterstützt – und ihnen keine Steine in den Weg legt.
- Bessere Verknüpfung der Ausbildung und der sozialen Kompetenzen, die es für die Arbeitswelt braucht
- Bessere Möglichkeiten für berufliche Neuorientierung
- Änderung der Mentalität gegenüber ICT-Berufen, damit mehr Frauen im ICT-Bereich arbeiten wollen und bereits in der Primarschule technische Inhalte vermittelt werden

Martin Camenisch (Leiter Personalmanagement & Arbeitsbeziehungen, Schweizerische Post), Sandra Hutterli (Leiterin People und Transformation bei SBB Informatik), Klementina Pejic, (Leiterin HR Swisscom, Mitglied der Konzernleitung) und René Fürst (Branchenleiter Post/Logistik von Transfair) sprachen gemeinsam darüber, welche Chancen und Herausforderungen es in der Sozialpartnerschaft anzugehen gilt. Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Personalverbänden sei gut und wichtig. Das betonten alle drei Vertreter von Swisscom, SBB und der Post. Und man sei meist gemeinsam unterwegs, da das Ziel ja dasselbe sei: für die Mitarbeitenden ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Doch wie dieses attraktive Arbeitsumfeld aussieht – darüber scheiden sich die Geister. Einige wollen flexibler arbeiten können in Bezug auf den Arbeitsort oder auch die Arbeitszeit. Andere wiederum nicht. Auch im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte brauche es mehr Flexibilität und den Abbau von administrativen Hindernissen; der Schutz im Arbeitsgesetz basiere auf einer veralteten industriellen Sichtweise, sei heute teilweise eine Hürde und widerspiegle nicht die Realität von allen. Sozialpartnerschaftlich soll es gelingen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Flexibilisierungswünsche erfüllen könnten und gleichzeitig die Gesundheit des Personals ausreichend schützten.