Bundsverwaltungsgericht pfeift Swisscom zurück (Foto: Karlheinz Pichler)

Gemäss einer Entscheidung des schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts (BVG) muss Swisscom den Ausbau ihres Glasfasernetzes mit der im Februar 2020 angekündigten neuen Technologie vorerst stoppen. Damit bestätigt das BVG die von der Wettbewerbskommission angeordneten vorsorglichen Massnahmen. Swisscom will das weitere Vorgehen nun prüfen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass die Strategie der Swisscom zum Ausbau des Glasfasernetzes mit einer neuen Technologie ein missbräuchliches Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens darstellt. So weiche die Swisscom gemäss den Erwägungen des BVGs vom Glasfaserstandard ab, der ein Vierfaser-Modell vorsieht. Damit werden vier unabhängige Glasfasern von der Anschlusszentrale bis zum Anschluss des Konsumenten verlegt. Auf dieses Modell hatten sich die Unternehmen im Telekommunikationsbereich im Rahmen eines Runden Tisches in den Jahren 2008 bis 2012 geeinigt. Damit sollte der Konkurrenz der Zugang zu einer eigenständigen Glasfaser und damit ein offener Wettbewerb ermöglicht werden.

Die Swisscom will ihr Netz bis 2025 mit einem Einfaser-Modell ausbauen und ihren Anteil an angeschlossenen Haushalten und Geschäften von bisher 32 auf rund 60 Prozent erhöhen. Gegen die Abweichung vom vereinbarten Standard reichte die Winterthurer Firma Init7 im September vergangenen Jahres eine Anzeige bei der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko) ein. Die Weko verfügte im Dezember 2020 als vorsorgliche Massnahme den Ausbau-Stopp, bis sie ihr Untersuchungsverfahren wegen eines allfälligen unzulässigen Verhaltens des marktbeherrschenden Unternehmens Swisscom abgeschlossen hat. Die Beschwerde der Swisscom hat das Bundesverwaltungsgericht nun in einem über 200-seitigen Urteil abgewiesen.

Es hält fest, die Swisscom habe nicht glaubhaft machen können, dass ausreichende technologische oder wirtschaftliche Gründe für ihr Abweichen vom Glasfaserstandard bestehen. Zum jetzigen Zeitpunkt geht das Bundesverwaltungsgericht deshalb davon aus, dass die Verwendung der neuen Technologie ein missbräuchliches Verhalten darstellt.

Wie die Swisscom in einer eigenen Mitteilung schreibt, bedauert sie den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts sehr. Sie erachtet die vorsorglichen Massnahmen als verfehlt. Damit drohe eine Verzögerung des Glasfasernetzausbaus bis in die Wohnungen und Geschäfte zum Nachteil von Wirtschaft und Gesellschaft. "Unsere beim Glasfaserausbau eingesetzte Netzarchitektur Punkt-zu-Multipunkt hat sich international durchgesetzt und bewährt, in der Schweiz jedoch wird dies von wenigen Mitbewerbern kritisiert und der Netzausbau droht im schlimmsten Fall um Jahre verzögert zu werden. Der Wettbewerb spielt heute auf allen Ebenen, und am Ausbau beteiligen sich zahlreiche Kooperationspartner an den Investitionen in Milliardenhöhe", sagt Swisscom CEO Urs Schaeppi. Und weiter: "Wir sind überzeugt, dass wir uns fair und wettbewerbsmässig korrekt verhalten und werden nun die nächsten Schritte prüfen." Swisscom kann die Frage noch vor das Bundesgericht weiterziehen.

Laut eigener Ansicht bietet Swisscom all ihren Mitbewerbern diskriminierungsfrei einen breiten Zugang zu ihren Netzen, zu regulierten oder kommerziell vereinbarten Bedingungen. Swisscom baue ihr Netz laufend aus und investiere jährlich rund 1,6 Milliarden Schweizer Franken in den Ausbau und Unterhalt dieser Netze. Davon würden auch die Mitbewerber profitieren, indem sie ihre eigenen Investitionen reduzieren und damit Kosten sparen könnten, heisst es.

Die Winterthurer Firma Init7 wiederum zeigt sich in einer eigenen Stellungnahme vom BVG-Urteil erfreut. Init7 begrüsse den Entscheid sehr, heisst es in einer Mitteilung. Denn die von Swisscom zur Einführung vorgesehene Netztopologie behindere Internetprovider mit kleinem Marktanteil. Dieser Tatsache habe nach der Weko jetzt auch das Bundesverwaltungsgericht entsprochen.

Seit Mai 2021 habe Swisscom trotz des verfügten Baustopps der Weko (vorsorgliche Massnahme) zehntausende neue FTTH-Glasfasern in der P2MP-Topologie in Betrieb genommen. Offensichtlich glaube Swisscom, das Kartellrecht gelte für sie nicht, kritisiert Init7. Deshalb fordere man Swisscom ultimativ auf, alle FTTH-Glasfaseranschlüsse umgehend auch P2P-ready zu bauen und sofort aufzuhören, immer neue technische und juristische Finten zu finden, um die Wettbewerber auf dem Internet-Markt auszubremsen.