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Anlässlich des Starts in den Handel hat Microsofts ARM-basiertes Tablet Surface mit Windows RT, kurz Surface RT, einen guten Ersteindruck gemacht. Im langfristigeren Test galt es, diesen zu bestätigen, was aber nur in Teilen gelungen ist.

Denn während die Hardware sich durchaus solide präsentiert, sind softwareseitige Schwächen nicht zu leugnen - von einer teils kontraintuitiven Bedienung bis hin zum nach wie vor zu begrenzten App-Angebot. Schon beim Auspacken kann Surface RT erstmals punkten, denn das Gehäuse aus der Magnesiumschmelzlegierung "VaporMG" wirkt elegant. Wichtiger noch, es fühlt sich auch gut an und liegt etwas griffiger in der Hand als manche etwas zu glatte Aluminium-Gehäuse. Mit 9,4 Millimetern Dicke ist Surface RT zwar nicht das allerschlankste Tablet, doch nutzt es das mit einem normalen USB-Port für den Anschluss von Sticks oder Peripherie auch zu seinem Vorteil - damit warten nicht viele Konkurrenten auf. Ein microSDXC-Kartensteckplatz ermöglicht zudem eine einfache Speichererweiterung, die beim 32-Gigabyte-Modell aufgrund des Platzbedarfs von Windows RT auch dringend nötig ist.

Nicht ganz so überzeugend ist der HD-Videoausgang, da es sich um einen micro-HDMI-Port und nicht eine normale HDMI-Buchse handelt. Viele Anwender werden zum Anschluss ans TV-Gerät also einen nicht mitgelieferten Adapter benötigen. Dafür punktet das Microsoft-Tablet mit guter Konnektivität 802.11n-WLAN und Bluetooth 4.0. Wichtigste Einschränkung des Geräts in diesem Bereich ist, dass es keine Mobilfunk-Verbindung unterstützt - als Multimedia-Tablet für unterwegs taugt es also nur dann wirklich, wenn man rechtzeitig im Voraus gewünschten Content wie Filme oder Spiele auf das Gerät geladen hat.

Freilich scheint Microsoft mit Surface RT ohnehin eher auf den Heimgebrauch abzuzielen. Denn da ist der ausklappbare Standfuss wirklich praktisch, gerade für das Aufstellen auf dem Ess- oder Schreibtisch. Das ist beispielsweise zum Filmschauen schon angenehmer, als das Tablet auf den Tisch zu legen und eigentlich unverzichtbar in Verbindung mit dem beim Testgerät mitgelieferten Touch Cover. Diese Tastatur ist ein praktisches Zubehör für alle, die auf dem Gerät auch mehr schreiben wollen - ob nun in Word RT oder ausgiebigen Online-Chats. Denn so gut die Bildschirm-Tastatur auch ist, das Display ist bei intensiver Nutzung doch schnell voll mit Fingertapsern.

Mit 1.366 mal 768 Pixeln zählt das Surface-RT-Display nicht unbedingt zur Auflösungs-Oberklasse, in der Praxis macht sich das aber nicht wirklich bemerkbar. Microsoft ist es gelungen, trotzdem für eine gute Lesbarkeit zu sorgen und bei vernünftigen Betrachtungswinkeln bleibt das Bild klar. Wichtig ist, dass der Touchscreen eine wirklich genaue Erkennung bietet. Hier ist Microsoft ein echter Coup gelungen - selbst kleine Symbole sind sehr gut zu treffen, wenn es Probleme mit der Bedienung gibt, liegt das also eher daran, wie man mit dem Gerät umgehen muss.

Viele, viele Gesten

In Sachen Touch-Bedienung versucht Surface, viele Möglichkeiten klar strukturiert anzubieten und verläuft sich dabei etwas im Wald der Optionen. Schon am Startbildschirm des neuen Benutzerinterfaces gibt es praktische Tricks beispielsweise für das Verschieben von Kacheln quer über das komplette Interface, auf die Nutzer ohne Anleitung kaum kommen werden. Und falls es eine Möglichkeit gibt, den Startbildschirm anders anzuordnen als in Blöcken von sechs mal drei Kacheln, allenfalls mit frei gelassenen Slots, hat sich uns diese im Test nicht erschlossen - eine vertane Chance, was die Personalisierung betrifft.

Die Mail-App ist dann das perfekte Beispiel, wie man es gleichzeitig völlig richtig und total falsch machen kann. Die Ansicht ist für den schnellen Überblick über aktuelle Nachrichten und das Lesen von E-Mails wirklich ideal, die Bedienung hakt aber teils gewaltig. Mit Drag & Drop gibt es genau eine wirklich intuitive Variante, auf einem Touchscreen eine E-Mail in einen anderen Ordner zu verschieben - und Microsoft hat darauf vergessen, genau das zu implementieren.

Achillesferse Apps

Generell ist die Software die Achillesferse von Surface RT. Das liegt auch an der Auswahl an Apps im Windows Store. Die ist zwar seit dem US-Start im Oktober 2012 merklich gewachsen, doch fehlen wirklich gängige Dienste wie Facebook und Twitter. Gerade Letzteres tut richtig weh, denn der Kurznachrichtendienst wäre ideal, um mit einer passenden Live-Kachel den Wert des neuen Nutzerinterfaces zu unterstreichen. Immerhin, mit dem Internet Explorer kann man klassisch überall hin surfen, positive Überraschung inklusive: Die Flash-Umsetzung kommt selbst mit Spielen wie "FarmVille" leidlich klar, die auch am Desktop für ihre absturz-Anfälligkeit bekannt sind.

Suboptimal ist auch, wie schnell sich User letztlich doch wieder auf einer Desktop-Oberfläche finden. Vom Einrichten neuer WLAN-Verbindungen abgesehen, nutzen die meisten Wartungsaufgaben wie manuelle Windows-Updates (im Test insgesamt gleich 50 Updates in vier Wellen beim fabriksneuen Gerät) und die Office-Apps letztlich genau die Oberfläche, von der sich Microsoft mit der Windows-8-Generation verabschieden wollte. Am Tablet fällt das noch stärker auf als auf dem Desktop - es passt nicht recht zu der modernen Eleganz, die das Gerät hardwareseitig vermittelt.

Sexy Gerät, graue App-Welt

Mit den Worten "Sexy Gerät, graue App-Welt" konnte man vor vier Monaten die ersten Reviews zu Surface RT aus US-Medien zusammenfassen, und dem ist aus heutiger Sicht wenig hinzuzufügen. Die Hardware macht - wenn man auf mobiles Internet verzichten kann - einen guten Eindruck und auch im Test konnte das Microsoft-Tablet mit einer langen Akkulaufzeit überzeugen. Doch schon die mitgelieferte Software hat einige Defizite und das Angebot an Drittanbieter-Apps für Windows RT fällt nach wie vor bescheiden aus. Damit wird es Surface RT schwer haben, sich gegen iPad und Android-Tablets auf dem Markt durchzusetzen.