So sieht das Effizienz-Zertifikat der Data Center Allianz aus (Bild: zVg)

Eine Gruppe von Vertretern aus Wissenschaft und Industrie hat am Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos das "Swiss Data Center Efficiency Label" vorgestellt. Ziel sei es, die Schweizer Rechenzentren zu dekarbonisieren und deren Gesamtstromverbrauch signifikant zu senken, wie es in einer Aussendung dazu heisst. Die vom Industrieverband Digitalswitzerland und Hewlett Packard Enterprise (HPE) Schweiz initiierte Allianz hat den Verband Swiss Datacenter Efficiency Association (SDEA) gegründet, der für die Vergabe des Labels und die vorangehenden Prüfungen zuständig ist.

Gründungsmitglieder des SDEA sind die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL), Green IT Switzerland, HPE, die Hochschule Luzern (HSLU), die Swiss Data Center Association (Vigiswiss) und der Schweizerische Verband der Telekommunikation (Asut). Das Bundesamt für Energie fördert die Initiative im Rahmen des Programms Swiss Energy.

Zehn Pilotanwender haben gemäss Mitteilung neue Technologien und Verfahren zur Steigerung ihrer Energieeffizienz eingeführt, um die Kriterien des neuen Labels erfüllen zu können. Dabei seien bis zu 70 Prozent Strom eingespart worden, und fünf der Anwender hätten bereits vollständig CO2-neutral erzeugten Strom bezogen. Der Kanton Genf plane, wesentliche Anforderungen des Labels in die nächste Fassung seines Energieeffizienz-Gesetzes aufzunehmen, um sie zu Voraussetzungen für den Neubau von Rechenzentren zu machen. Das Ziel sei aber nicht nur die schweizweite Einführung: Das Label soll auch der Europäischen Kommission und den Vereinten Nationen vorgestellt werden, damit das Schweizer Modell schliesslich weltweit adaptiert werde.

"CO2-neutrale Stromquellen und energieeffiziente digitale Technologien sind bereits verfügbar; für ihre umfassende Einführung braucht es aber geeignete Methodiken, das Engagement der Industrie und die politische Umsetzung", sagt Benoit Revaz vom Bundesamt für Energie.

Rechenzentren machen heute ein Prozent des weltweiten Gesamtstromverbrauchs aus. An beliebten Hosting-Standorten wie der Schweiz ist der Anteil jedoch wesentlich höher: Im Jahr 2015 entfielen geschätzte 2,8 Prozent des gesamtschweizerischen Stromverbrauchs auf Rechenzentren. Angesichts der exponentiellen Zunahme der Datenvolumen und des Datenverkehrs in den nächsten Jahren brauche es neue Verfahren für die Messung und das Management der Effizienz von Rechenzentren, damit die CO2-Emissionen und der Stromverbrauch signifikant sinken könnten, heisst es.

"Die heutigen Methodiken betrachten isolierte Aspekte der Nachhaltigkeit und der Effizienz von Rechenzentren. Sie erfassen nicht den gesamten Fussabdruck bezüglich CO2-Emissionen und Stromverbrauch", erläutert Christopher Wellise, Chief Sustainability Officer bei HPE. "Das Swiss Data Center Efficiency Label verfolgt dagegen einen ganzheitlichen Ansatz, indem es alle Aspekte des Stromverbrauchs und der Stromversorgung sowie die Weiterverwertung der Energie berücksichtigt. Es ermöglicht damit Betreibern von Rechenzentren, Industrieverbänden und Regierungen, die tatsächliche Auswirkung der digitalen Infrastrukturen auf das Klima zu messen und zu kontrollieren."

Mit dem Swiss Data Center Efficiency Label sollen daher künftig Rechenzentren und deren IT-Infrastrukturen für herausragende Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit ausgezeichnet werden. Dabei werden gemäss den Angaben drei Hauptkriterien berücksichtigt. Die Vergabekriterien für die Infrastruktur der Rechenzentren sollen sich auf die gesamten Energieströme, sowohl Aufnahme als auch Abgabe, beziehen. Dabei werde auch berücksichtigt, ob und wie die Energieabgabe weiter genutzt werde (etwa die Abwärme zur Beheizung anderer Gebäude). Die Vergabekriterien für die IT-Infrastruktur sollen sich auf die Energieeffizienz der eingesetzten IT-Technologien und ihre Auslastung beziehen. Je nachdem, welche Effizienzkriterien sie in welcher Weise erfüllten, könnten die Rechenzentren mit einem Label in Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet werden. Würden zudem noch die Umweltverträglichkeitskriterien im Zusammenhang mit dem CO2-Fussabdruck erfüllt, erhalte das jeweilige Label ein "Plus"-Zeichen.

Die Vergabekriterien sollen dabei kontinuierlich an die sich schnell wandelnden Informations- und Kommunikationstechnologien und die hohe Innovationsrate der ICT-Branche angepasst werden. Besonderes Augenmerk liege dabei auf der ausserhalb von Rechenzentren rasant wachsenden ICT-Infrastruktur. Diese werde benötigt, um dezentral – in Produktionsstätten, Fahrzeugen oder öffentlichen Einrichtungen – anfallende, riesige Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten. Nach Gartner wurden 2018 rund 10 Prozent der von Unternehmen generierten Daten ausserhalb der herkömmlichen (zentralen) Rechenzentren oder der Cloud produziert und verarbeitet. Laut Gartner wird dieser Anteil bis 2025 auf 75 Prozent ansteigen. Daher soll das Swiss Data Center Efficiency Label in Zukunft auch solche dezentralen "Edge"-ICT-Infrastrukturen berücksichtigen, damit der Strom- und der CO2-Fussabdruck der digitalen Infrastrukturen ganzheitlich eingeschätzt und kontrolliert werden kann.

"Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in der IT-Technologie. Die herkömmliche Siliziumtechnik, die sich in den vergangenen fünfzig Jahren durch eine Verdopplung der Chip-Packungsdichte alle zwei Jahre auszeichnete, stösst an ihre physikalischen Grenzen", konstatiert Babak Falsafi, Professor an der Fakultät für Computer und Kommunikationswissenschaften der EPFL und Gründungsdirektor von Ecocloud, einer Fachgruppe aus Industrievertretern und Wissenschaftlern der EPFL. "Folglich kann die IT-Leistung künftig nur durch den Ausbau der Infrastruktur nachhaltig wachsen, einschliesslich dezentraler Rechenzentren nahe an den Datenquellen am Edge."