Bild: Screenshot

Da die Abrechnungen und Auszahlungen von Kurzarbeitsanträgen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie explosionsartig angestiegen sind, versuchen die Behörden der Kantone Aargau und Zürich die Abläufe mit digitalen Hilfsmitteln zu beschleunigen. Im Zentrum der entsprechenden digitalen Lösung steht ein Webformular mit robotergesteuertem Datentransfer ins Abrechnungssystem des Bundes. Der eingesetzte Software-Roboter setzt dabei auf der SAP-Lösung für intelligente robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) auf und automatisiert die Arbeitsschritte bei der Auszahlung. Die Kurzarbeitsentschädigungen sollen dadurch deutlich schneller bei den Antragstellern ankommen, heisst es. Gleichzeitig reduziere die Lösung auch den Aufwand bei den Verwaltungen massiv. Die Lösung wurde gemäss den Angaben vom Kanton Zürich in Auftrag gegeben und kommt neu nun auch im Kanton Aargau zum Einsatz.

Wie den Infos weiters zu entnehmen ist, schnellten die Kurzarbeitsgesuche im Kanton Aargau nach dem Lockdown Mitte März quasi über Nacht auf über 10‘000 in die Höhe. Über einen Zeitraum von drei Monaten ergibt das ca. 30‘000 Abrechnungen. Mit dieser Hochrechnung sei es Fabian Ruhlé, Leiter Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau, sofort klar gewesen, dass sich dieses Volumen mit dem bestehenden Personal und den bestehenden Prozessen nicht innert nützlicher Frist bewältigen lasse. Statt nun Monate in eine Eigenentwicklung zu investieren, konnten die Aargauer auf eine digitale Lösung zugreifen, die das Amt für Informatik und das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich mit SAP und Prodyna bereits entwickelt und in Betrieb gesetzt hatten. Der ursprünglich vollständig manuelle Prozess zwischen antragstellenden Unternehmen, Arbeitslosenkassen und den Systemen des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco als Auszahlungsstelle wurde dabei neu mit Intelligenz ausgestattet und weitestgehend automatisiert.

In Zusammenarbeit mit SAP und Prodyna wurde demnach ein E-Formular entwickelt, von dem ein Software-Roboter die notwendigen Informationen absaugt, automatisch ins Auszahlungssystem des Seco einspeist und die Daten für die Auszahlung erfasst, so dass manuelle Übertragungsfehler vermieden werden könnten. Insgesamt gewährleiste die Zürcher Lösung die rasche Bearbeitung der ausserordentlichen Volumen an Abrechnungen für Kurzarbeitsentschädigung.

Die Umsetzung der digitalen Lösung habe vom Kickoff bis zum Go-live lediglich zwei Wochen betragen, so die Mitteilung. "Wir konnten unseren Aufwand um rund 75 Prozent senken, brauchen nur noch punktuell zusätzliches Personal und können die Antragssteller innerhalb von zwei Arbeitstagen auszahlen", fasst Ruhlé das Ergebnis derjenigen Anträge zusammen, die über das E-Formular abgerechnet wurden.

Als wirtschaftsstärkster Kanton der Schweiz war der Kanton Zürich in besonderem Mass vom Lockdown betroffen. Während beim Amt für Wirtschaft und Arbeit in wirtschaftlich ruhigeren Zeiten pro Monat zehn Voranmeldungen von Kurzarbeit eingehen, schnellte diese Zahl im März auf 30‘000 Gesuche hoch und ist bis Anfang Juni auf über 32‘000 gestiegen. Bei einer durchschnittlichen Verarbeitungszeit von 25 Minuten pro Antrag hätte die Verarbeitung der Anträge selbst mit einer massiven Personalaufstockung noch immer Wochen gedauert. Hansruedi Born, Leiter des Amts für Informatik des Kantons Zürich, verhalf der Idee der Digitalisierung und Automatisierung zur Verwirklichung: "Wir haben sofort erkannt, dass ein Robotics-Ansatz mit Anbindung ans Kassensystem des Bundes eine interessante Lösung darstellt." In einer amts- und direktionsübergreifenden Anstrengung und der Abstimmung mit dem Seco sei es gelungen, innerhalb von 14 Tagen den manuellen Prozess zu digitalisieren und den drohenden Backlog abzuwenden, so Born.

Der neue digitale Prozess setzt auf eine durchgängige Automatisierung mit zwei Komponenten:
- Nach der Anmeldung mit Zwei-Faktor-Authentifizierung führt das Webformular die Nutzer durch die einzelnen Schritte des Antrags, prüft die einzelnen Feld-Eingaben und validiert diese während der Antragstellung. Gespeichert werden die Daten in XML-Dateien. Sobald alle erforderlichen Unterlagen hochgeladen sind, kann der Antrag direkt digital übermittelt werden.
- Der Software-Roboter von SAP holt die Dateien ab und extrahiert sie. Anhand von Geschäftsregeln des Kantons Zürich wird sodann die Qualität des Antrags überprüft. Der Roboter veranlasst anschliessend die Eingabe des Antrags ins Arbeitslosen-Kassensystem, das die Auszahlung freigibt, und legt den Antrag mit den Anhängen im Dokumentenmanagementsystem sicher ab.

Die durchgängige Automatisierung des Antragsprozesses inkl. Qualitätsprüfung reduziere den Personalaufwand für die Verarbeitung von Kurzarbeitsgesuchen im Kanton Aargau um 75 Prozent, im Kanton Zürich gar um 85 Prozent, bilanzieren die beiden Kantone. Mit 30 Sekunden pro Antrag könne die Verarbeitungsgeschwindigkeit um den Faktor 50 gesteigert werden. Und das bei tiefen Kosten: Die Investitionen in die digitale Lösung sollen sich in weniger als einem Monat amortisiert haben, heisst es. Gemäss Modellrechnungen sollen sich die Kosten für die digitale Verarbeitung eines Kurzarbeitsantrags auf gerade einmal 76 Rappen belaufen.

Kern des robotergesteuerten Datentransfers vom Webformular in das Bundes-Abrechnungssystem ist SAP Intelligent Robotic Process Automation (iRAP), ein Bausatz an Services für die Entwicklung intelligenter Bots, die maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz nutzen, damit Dialoge ohne manuelle Tastatureingaben sinnvoll und zuverlässig ablaufen. In den Projekten der Kantone Zürich und Aargau für die Automatisierung der Kurzarbeitsanträge simuliert der Roboter einen realen Benutzer.

Mit der Überwindung der Corona-Krise wird sich auch die Zahl der Kurzarbeit-Anträge wieder normalisieren. Die Lösung, die derzeit beim Kanton Aargau im Einsatz steht, sei daher nur vorübergehender Natur. Dennoch: "Das Projekt hat uns einen Eindruck vermittelt, was alles möglich und machbar ist", fasst Ruhlé den längerfristigen Wert des Projekts zusammen. "Der Upload von Unterlagen ist beispielsweise etwas, das wir für die Zeit nach Covid-19 mitnehmen."