Nebulon Services Processing Unit (Bild: zVg)

Wer Geld (oder Kapital) hat, der kann sich relativ leicht schlaue IT-Technologie besorgen und so sein eigenes Produkt-Portfolio attraktiver gegenüber der Konkurrenz gestalten. Die kurze Geschichte der IT-Industrie ist voll von solchen Geschichten. Ob die ganz Grossen wie Dell, EMC, HPE, IBM, Intel, Netapp oder Oracle – alle haben immer wieder dadurch geglänzt, dass sie sich interessante (und marktgängige) Hard- oder Software eingekauft haben. In der Regel durch enorme Kaufbeträge, die schon dadurch gerechtfertigt waren oder sind, dass man sich aufwändige Eigenentwicklungen erspart oder die neue Technologie der Konkurrenz vor der Nase wegschnappt.

3PAR war so ein Fall. Von einer Mannschaft rund um David Scott und Craig Nunes 1999 gegründet, ging das erfolgreiche Startup 2010 für 2,4 Milliarden Dollar an HPE und wurde dort zum neuen Flagschiff der Speicherinfrastruktur ausgebaut. HP bzw. HPE waren schon längere Zeit keine bedeutenden und verkaufsträchtigen eigenen Ideen mehr eingefallen. Mit den 3PAR-Lösungen konnte man wieder bei den Highend-Speichersystemen mitspielen.

Scott war nach dem Verkauf noch eine Weile bei HPE, managte sogar die gesamte Storage-Abteilung, zog sich aber im Februar 2005 zurück. Nunes, schon bei 3PAR ein Vertriebs- und Verkaufsspezialist und ebenfalls kein armer Mann mehr, verdingte sich noch für einige Zeit bei Speicherherstellern wie Datera und Datrium.

Beide tauchten – neben weiteren früheren Kollegen – 2018 bei der Neugründung "Nebulon" wieder auf. Nebulon liess anfangs nur wenige Informationen durchsickern, selbst auf eine Webseite wurde ursprūnglich verzichtet. Die Entwicklung hinter verschlossenen Tūren stand im Vordergrund. Dann wurde klar: Es sollte wieder etwas mit Speicher sein – also auf einem Markt, der insgesamt schon reichlich bestückt ist mit teils etwas älteren und teils sehr vielen neuen Angeboten.

Im Juni 2020 wurde dann der Stealth-Modus von Nebulon aufgegeben, man präsentierte sich einer breiteren Öffentlichkeit: Mit dem Ansatz von "Cloud-Defined Storage" stellt der Hersteller ein All-Flash Array für on-premise Umgebungen zur Verfügung, das von der Cloud aus verwaltet wird. Der server-basierte Ansatz soll besonders für geschäftskritische Anwendungen geeignet sein und die Speicherkosten durch die Verwendung von handelsüblichen SSDs in Standard-Servern reduzieren. Laut Nebulon unterstützt die Lösung alle Betriebssysteme und Hypervisoren für Server. Auf dem Server muss keine spezifische Software installiert werden, so dass den Anwendungen des Unternehmens keine CPU- und Memory-Ressourcen weggenommen werden.

Nebulon erläutert seine Strategie: "Cloud-Defined Storage bedeutet, im Rechenzentrum befindet sich server-basierter Speicher für geschäftskritische Anwendungen, die von der Nebulon-Cloud beziehungsweise von der Control Plane 'Nebulon ON' überwacht werden." Die "Services Processing Unit" (SPU) ist wie eine RAID-Karte auf einem Anwendungsserver im Rechenzentrum des Kunden installiert und übermittelt stündlich Zehntausende von Speicher-, Server- und Anwendungsdaten an die Control Plane Nebulon ON für Überwachung und AI-gestützte Analysen von der Cloud aus.

Auf dieser Basis stellt Cloud-Defined Storage alle wesentlichen Datendienste für Unternehmen zur Verfügung – darunter Komprimierung, Verschlüsselung, Deduplizierung, Erasure Coding, Snapshots und Data Mirroring.

Für David Scott und seine Mitstreiter ist Cloud-Defined Storage "die erste bahnbrechende Erfindung für server-basierten Storage seit der Einführung einer hyperconverged Infrastruktur". Anwender könnten damit kostengünstig und einfach sowohl moderne Workloads wie Container und NoSQL-Datenbanken als auch traditionelle Workloads wie VMware und geclusterte SQL-Datenbanken betreiben. Der bisherige Overhead bei Management und Automatisierung von Speicherprozessen werde entfallen, besonders wenn es um ihre Skalierung geht.

Auf seiner Webseite hat Nebulon einen Grundkurs Cloud-Defined Storage (1o1 cloud defined storage: https://nebulon.com/resources/datasheets/cloud-defined-storage/) veröffentlicht, der übersichtlich die wesentlichen Produkt-Features darstellt. Zu ihnen gehören:
- Self-Service Infrastructure Provisioning: Template-based Provisioning, keine Software-Abhängigkeiten, Applikationsintegration, Scale-out;
- sicherer Management-Endpoint in der Cloud: Voll programmierbar, Skalierbarkeit in der Cloud, immer up-to-date, immer sicher;
- Eigenschaften eines All-Flash Arrays für Unternehmen: Enterprise Data Services, All-Flash Performance, Isolated Fault Domain (Unabhängigkeit von Speicher und Data Services gegenüber Betriebssystem oder Hypervisor);
- nicht nur künstliche Intelligenz für IT-Betriebsabläufe: Sichtbarkeit und Kontrolle, kontinuierliches Monitoring, Machine Learning.

Das Datenmanagement soll von der Cloud ausgehen, während die Daten auf Servern in einem SAN im heimischen Rechenzentrum des Kunden liegen. "Cloud-Defined" ist letztlich eine Variante von bekannten "software-defined" Ansätzen.

Tobias Flitsch, Principal Product Manager von Nebulon, sagte Ende letzten Jahres: "Viele moderne Workloads sind für shared-nothing Umgebungen entwickelt worden, und für diese Architekturen von SAN, SDS oder HCI werden unnötig viele Ressourcen an Kapazität und Ressourcen verschwendet. Wer jemals nebeneinander Apache Cassandra, Apache CouchDB oder Apache Kafka eingesetzt hat, weiss wovon ich spreche."

Auf der HPE Discover in diesem Sommer war eine Präsentation mit dem bezeichnenden Titel "Honey, I Shrunk the Enterprise Storage Array to a Cloud-Managed Storage GPU" zu sehen. Bisher wurde jedoch nicht offiziell bestätigt, dass Nebulon an den Einsatz von GPUs denkt.

Nebulon will seine Lösung zunächst über die Channel von HPE und Supermicro verkaufen. Angepeilt ist ferner eine Kooperation mit AWS. Geplant ist offenbar auch der Einsatz in Systemen mit VMware, MongoDN und Kubernetes-Lösungen. Auf der Website von Nebulon befindet sich bereits ein "Configuration Guide" mit dem Titel "The VMware blueprint for Cloud-Defined Storage".

Das Startup hält sich, was Finanzierung oder Anzahl der Mitarbeiter angeht, noch ziemlich bedeckt. Laut der Website Block & Files soll es bisher zu einer externen Finanzierung von 14,5 Millionen Dollar gekommen sein, die Mitarbeiterzahl soll etwa 100 betragen. Gründer Scott dürfte nach dem Verkauf von 3PAR an HPE allerdings kaum an Geldmangel leiden, so dass mit einer schnellen Expansion zu rechnen ist.

Das Hauptquartier befindet sich in Fremont, Kalifornien, eine weitere Niederlassung in den USA in Seattle. In Europa ist man bisher in London und Belfast präsent. In Belfast wurde ein neues technisches Entwicklungszentrum eingerichtet.