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Das Schweizer Forschungs- und Entwicklungszentrum CSEM (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) koordiniert ein prestigeträchtiges EU-Projekt zur Optimierung von Temperaturregelungssystemen mithilfe intelligenter, per 3D-Druck hergestellter Rohre. Diese instrumentierten Rohre sollen neue Möglichkeiten für die Grundlagenforschung am Cern und für die europäische Raumfahrtindustrie eröffnen, aber auch für eine ganze Reihe von Anwendungen genutzt werden, die von industriellen Heiz- und Kühlanlagen bis hin zu Bewässerungssystemen 4.0 reichen.

Das diesen Sommer gestartete und vom CSEM koordinierte EU-Projekt Ahead (für Advanced Heat Exchange Devices) zielt darauf ab, Wärmeregulierungssysteme zu revolutionieren, von denen viele Hochleistungsgeräte wie Satelliten oder Raumfahrzeuge abhängen. Dabei sollen die derzeitigen Systeme – sperrig, schwer und mit umfangreicher Verkabelung – durch eine leichtere, billigere und drahtlose Lösung ersetzt werden, die Daten in Echtzeit sammelt und deutlich leistungsfähiger ist.

Hierzu wollen die sechs Konsortialpartner mithilfe von 3D-Druckverfahren Rohre entwickeln, auf deren Innenseite Temperatursensoren und Heizelemente integriert sind. Das Innere des Geräts wird ausserdem ein Energierückgewinnungsmodul enthalten, das eine autonome und drahtlose Messung und Übertragung von Daten ermöglicht.

"Grundsätzlich zielt Ahaed darauf ab, technologische Bausteine zu entwickeln, die es ermöglichen, elektrische Funktionen (Kabel, Stecker, Sensoren usw.) in eine breite Palette von 3D-gedruckten Komponenten zu integrieren", erklärt Hervé Saudan, Projektkoordinator beim CSEM. "Die Integration der Sensoren in diese Geräte erfüllt auch die Anforderungen von Industrie 4.0. Die gesammelten Daten fliessen in die Algorithmen der künstlichen Intelligenz ein, um Prozesse zu überwachen und zu optimieren, aber auch um vorbeugende Instandhaltungsmassnahmen zu ermöglichen." Das Konsortiums will nun diese Geräte in ein vorindustrielles Stadium bringen und mit einer Vielzahl von Anwendungen kompatibel machen, beispielsweise Bewässerungssysteme, industriellen Heiz- und Kühlanlagen, chirurgische Implantate und Instrumente, Robotik, Werkzeugmaschinen oder Anwendungen im Automobilsektor.

Bisher wurden zwei Hauptanwendungen definiert: Die Technologie soll einerseits in Weltraummodule, andererseits in Systeme der zukünftigen Teilchendetektoren des Cern integriert werden.

Die Ingenieure des Cern etwa planen, die instrumentierten Rohre zur thermischen Kontrolle der zukünftigen Siliziumdetektoren des Zentrums zu verwenden, die zur Identifikation der Teilchen aus den zahlreichen Kollisionen dienen. Die Rohre sollen die vielen Kabel, die bisher benötigt wurden, überflüssig machen, den verfügbaren Platz besser nutzen und die thermische Kontrolle der Detektoren verbessern, indem sie Messungen direkt an den strategisch wichtigsten Stellen durchführen. Diese Innovationen sollen auch eine wichtige Rolle beim Ersatz der derzeitigen Kältemittel durch effizientere und umweltfreundlichere Kältemittel spielen. "Damit ein Detektor die von ihm erwarteten aussergewöhnlichen Leistungen erbringen kann, müssen wir neue Technologien entwickeln", erklärt Paolo Petagna, der Projektleiter am Cern. "Das kann manchmal zu völlig neuen Konzepten führen, die auch für andere Anwendungen in wichtigen Industriezweigen interessant sein können. Genau das ist der Fall beim Ahead-Projekt.“

Parallel dazu wird Thalès Alenia Space (TAS), ein Schlüsselpartner des Projekts, die Möglichkeit untersuchen, die instrumentierten Rohre in druckbeaufschlagten Modulen der Internationalen Raumstation (ISS) sowie in der zukünftigen Orbitalstation Lunar Gateway der Nasa einzusetzen. TAS plant ausserdem, sie in das Wärmeregulierungssystem – oder die gepumpten Zweiphasen-Fluidschleifen – seiner Telekommunikationssatelliten einzubauen. "Für TAS sind die Einsparungen an Masse und die Kompaktheit, verbunden mit genaueren Messungen und Zeitersparnis bei der Montage, wertvolle Vorteile bei der Verbesserung der thermischen Kontrolle, die ein Schlüsselelement aller Raumfahrtsysteme ist. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit von TAS gegenüber Konkurrenten in Europa und den USA," macht Martin Raynaud, Wärmeexperte bei TAS, deutlich.

Das Ahead-Projekt soll voraussichtlich zwei Jahre laufen und demonstriert die Kompetenz der Schweiz in der 3D-Drucktechnologie. "Die Schweiz ist das Land in Europa mit den meisten Patentanmeldungen für 3D-Drucktechnologien pro Kopf der Bevölkerung", sagt Hervé Saudan. "Europa positioniert sich in diesem Bereich übrigens klar. Seit einigen Jahren explodieren die Patentanmeldungen und haben laut einer Studie des Europäischen Patentamts allein in den Jahren 2015 bis 2018 um 36 Prozent zugenommen. Damit steht der alte Kontinent im Moment vor China und den USA an der Spitze," erklärt er.

Über Ahead:
Das Ahead-Projekt ist ein H2020-Projekt mit einem Volumen von zwei Millionen Euro und gehört zur zweiten Phase des vom Cern gelenkten Gesamtprojekts "Attract". Im Rahmen von Ahead profitieren die Partner von Technologien aus der ersten Phase des Projekts. Ahead wird vom CSEM koordiniert und umfasst die Partner Thales Alenia Space France, das Europäische Zentrum für Kernforschung (Cern), die Norwegische Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU), Inano Energy und LISI Aerospace Additive Manufacturing. Die Absicht des Konsortiums ist es, diese Technologien in das vorindustrielle Stadium zu überführen und sie für eine breite Palette von Anwendungen nutzbar zu machen.